Schlappe in Bayern, schlechte Umfragewerte:Miese Stimmung in der SPD - Scholz soll gehen

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Die ersten Reformgesetze der Agenda 2010 und die Gesundheitsreform stehen zur Abstimmung - und die Kanzlermehrheit ist in Gefahr. In der SPD wächst der Unmut über den Kurs von Partei und Regierung. Mehrere Landesverbände fordern nun Konsequenzen: Generalsekretär Olaf Scholz soll abgelöst werden.

Von Christoph Schwennicke

(SZ vom 26.09.2003) - Dies solle noch vor dem Bundesparteitag, der im November in Bochum stattfindet, geschehen. Bundeskanzler Gerhard Schröder entschied kurzfristig, am Donnerstagabend an einer Sitzung der SPD-Landes- und Bezirkschefs in Berlin teilzunehmen. Auch dort sollte es um den Kurs der Partei und die Wahlniederlagen gehen.

Mehrere Landesverbände fordern seine Ablösung: SPD-Generalsekretär Olaf Scholz (Foto: Foto: dpa)

In den vergangenen Tagen war in der SPD-Spitze wiederholt zu hören, dass sich der Druck aus den Landesverbänden nach der verheerenden Wahlniederlage in Bayern erheblich aufgebaut habe. Das Treffen der mächtigen SPD-Chefs aus den Ländern und Bezirken wurde als Höhepunkt dieser Entwicklung angesehen. Es wurde erwartet, dass dort die Ablösung von Scholz offiziell gefordert wird.

Massive Kritik aus NRW

Nachdem Schröder an einer turbulenten Fraktionssitzung am Dienstag wegen seiner Reise nach New York nicht hatte teilnehmen können, wurde am Donnerstag bekannt, dass er die Länderveranstaltung besuchen werde.

Seit Tagen wird in der SPD-Spitze mit Besorgnis registriert, dass etwa der nordrhein-westfälische SPD-Chef Harald Schartau nicht länger gewillt sei, den Reformkurs bei gleichzeitigen Wahlniederlagen in Serie weiter zu verteidigen.

Schartau war bislang eine wichtige Stütze im Gefüge der SPD. In NRW finden im kommenden Jahr Kommunalwahlen statt, im Jahr 2005 die Landtagswahl. Die Umfragewerte im SPD-Kernland sind ernüchternd für die Regierung von Ministerpräsident Peer Steinbrück.

Lafontaine weckt Bedenken

Mit Misstrauen wird ferner beobachtet, dass sich am 8. November beim SPD-Landesparteitag in Saarbrücken Oskar Lafontaine zum Spitzenkandidaten für die Saarland-Wahl im kommenden Jahr aufstellen lassen und dann möglicherweise erstmals seit seinem Rücktritt nur eine Woche später beim SPD-Bundesparteitag auftreten könnte. Derzeit bereitet SPD-Generalsekretär Scholz diesen Parteitag vor.

Unter den handelnden Personen ist Scholz besonders umstritten. "In einer Phase großer Schwierigkeiten der Partei ist die Aufgabe eines Generalsekretärs mehr, als bloß Pressesprecher des Kanzleramts zu sein", sagte Niedersachsens SPD-Chef Wolfgang Jüttner der Welt.

Scholz' Vorgänger Franz Müntefering habe es verstanden, die Seele der Partei zu streicheln. "Das vermissen wir bei Herrn Scholz", sagte Jüttner. In der SPD wird Scholz nicht so sehr die beharrliche Verteidigung der Reformpolitik vorgeworfen, sondern dass er in einer Zeit der Zumutungen auch noch an den Kernbegriffen der SPD wie der sozialen Gerechtigkeit gerüttelt habe. Ein Generalsekretär müsse "Identität stiften und nicht zerstören", ist aus dem Präsidium zu hören.

Generalsekretär Scholz vor Ablösung

SPD-Bundesvorstandsmitglied Garrelt Duin appellierte an Parteichef Schröder, Scholz noch vor dem Bundesparteitag im November zurückzuziehen. "Wenn den Delegierten dort nicht Daumenschrauben angelegt werden, sucht sich der Unmut über die Lage der Partei bei Scholz das Ventil", sagte Duin in derselben Zeitung. Dies hätten ihm mehrere Landesverbände signalisiert.

Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie warnte hingegen vor Personaldiskussionen wegen schlechter Umfragewerte und des Wahldebakels in Bayern: "Personaldebatten helfen der SPD nicht weiter." Der Sprecher des Seeheimer Kreises der Parteirechten, Reinhold Robbe, hatte Scholz für den "schlechten Zustand" der SPD verantwortlich gemacht und der Parteispitze geraten, "über Konsequenzen zu reden".

Fischer verkürzt USA-Reise

Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti beklagte unterdessen, die Stimmung an der SPD-Basis sei "nicht gut". Die SPD verliere ihre Klientel wie kleine und mittlere Einkommensbezieher, Familien, Alleinerziehende und Arbeitslose. In allen Bundesländern gebe es hohe Austrittsquoten, sagte Ypsilanti in der ARD. Der Bundesregierung warf sie vor, sich "vom Parteiprogramm entfernt" zu haben.

Am Donnerstag war nach wie vor nicht sicher, ob die Koalition bei der heutigen Abstimmung über die Gesundheitsreform entsprechend ihrer Zielsetzung die eigene Mehrheit erreicht. Bei der SPD haben sich Ottmar Schreiner, Horst Schmidbauer und Sigrid Skarpelis-Sperk auf ein Nein festgelegt. Drei weitere Abgeordnete gelten als Abweichler, drei sind krank.

Bei den Grünen gibt es vier Kandidaten für ein Nein oder eine Enthaltung. Außenminister Joschka Fischer reist eigens früher aus den USA zurück, um an der Abstimmung teilzunehmen. Dabei handele es sich "um einen Akt der Unterstützung für Fraktion und Regierung", hieß es. Fischer nehme nicht zuletzt auf Schröders Wunsch an der Debatte teil. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager sagte, die vorzeitige Rückkehr Fischers sei "kein Anzeichen für den Ernst der Lage".

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