Schlampige Gesetzgebung:Ministerialrat Dr. Hektik

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Teure Schlampereien in der Gesetzgebung nehmen zu. Vielen erscheint der handwerkliche Murks der Behörden bereits tragisch-komisch.

Ralf Wiegand

Solch glückliche Umstände gibt es sonst nur bei Monopoly. "Bankirrtum zu deinen Gunsten", heißt es da, oder "Das Finanzamt zahlt dir Geld zurück".

Kostenfreie Kindergartenplätze: Durch ein schlampig formuliertes Gesetz muss die Staatskasse auf 20 Millionen Euro verzichten. (Foto: Foto: ddp)

Eine Schleswig-Holstein-Version des Kapitalisten-Brettspiels könnte eine besonders originelle Ereigniskarte enthalten: "Der Gesetzgeber hat sich zu deinen Gunsten verrechnet. Schicke dein Kind sofort in den Kindergarten. Zahle dafür nichts." Der Spaß hat einen ernsten Hintergrund: Weil die Landesregierung in Kiel ein Gesetz schlampig formuliert hat, gehen der Staatskasse womöglich 20 Millionen Euro verloren.

Die große Küsten-Koalition aus CDU und SPD hat es bei der Neugestaltung des Kindertagesstättengesetzes mit den Wohltätigkeiten ein bisschen übertrieben.

Zwar beschloss sie, dass für das dritte Kindergartenjahr künftig keine Gebühren mehr fällig werden, doch das sollte erst vom 1. August 2009 an gelten. Der wichtige Stichtag wurde im Gesetz aber vergessen - und damit gehen die Kleinen schon jetzt gratis in die Kita. "Das Beispiel passt in das Bild einer immer schlechter werdenden Gesetzgebung", sagt Rainer Kersten vom Bund Deutscher Steuerzahler und erinnert an die vom Bundesverfassungsgericht gekippte Änderung der Pendlerpauschale.

Immer häufiger würden aus politischen Formelkompromissen übereilt Gesetze gestrickt, die dann entweder fehlerhaft seien oder einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhielten.

Oder sie sind einfach schlampig gemacht. So gelang es der hessischen Opposition aus SPD, Grünen und Linken im Wiesbadener Landtag zwar, 2008 ein Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren zur Abstimmung zu bringen. Leider war irgendwo unterwegs der wichtigste Satz des Gesetzestextes verlorengegangen: der über die Abschaffung der Gebühr.

Auch im Berliner Paragraphen-Dschungel läuft nicht alles glatt. 2006 lehnte Bundespräsident Horst Köhler erst die Unterzeichnung des Flugsicherungsgesetzes und dann die des Verbraucherinformationsgesetzes ab. Die bundespräsidialen Juristen hielten beide Gesetze für verfassungswidrig, die Koalition musste nachsitzen.

Auch das Gleichbehandlungsgesetz sah am Ende anders aus als gedacht: Ein Passus, der Antidiskriminierungsverbänden erlaubt, stellvertretend für angebliche Diskriminierungsopfer vor dem Arbeitsgericht klagen zu dürfen, sollte wegfallen, blieb aber versehentlich im Gesetz. "In der Hitze des Gefechts", hieß es vor zwei Jahren in Berlin.

Für den Bund der Steuerzahler ist das ein Trend: Es gebe einfach immer mehr "handwerklichen Gesetzesmurks", so Rainer Kersten. In Schleswig-Holstein hoffen die Juristen des Finanzministeriums, das den folgenschweren Fehler ins übergeordnete Haushaltsstrukturgesetz eingebaut hatte, dass es sich in ihrem Fall um eine "offensichtliche Unrichtigkeit" handelt, die geändert werden dürfte und damit folgenlos bliebe. Das hält zwar auch der Bund der Steuerzahler für möglich - was die Sache nach Ansicht Kerstens aber keinesfalls besser macht. Die hastige Gesetzgebung in Deutschland werde "zunehmend zum Problem".

"Irgendwie tragisch-komisch" findet er, selbst Vater eines Kita-Kindes, dabei die jüngste Panne in Kiel. Im Prinzip könne sich das mit 23 Milliarden Euro verschuldete Land nämlich überhaupt keine beitragsfreien Kindertagesstätten leisten. Was soll's, fand der FDP-Abgeordnete Heiner Garg: "Damit bewirkt der kaum noch zu ertragende handwerkliche Murks der großen Koalition zum ersten Mal etwas Gutes."

© SZ vom 17.01.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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