Schily:NPD-Verfahren nicht gefährdet

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Der Bundesinnenminister sieht das Verbots-Verfahren in Karlsruhe durch neue Enthüllungen nicht gefährdet. Aus Bayern kommt harte Kritik an Schily.

Susanne Höll

(SZ vom 07.02.2002)Inmitten des Trubels und der Konfusion wegen der V-Leute-Affäre hat sich Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erneut gegen die mannigfaltige Kritik an seiner Person verwahrt und seinerseits die Union im Bund scharf angegriffen. Schily, dem Pannen, Misswirtschaft in seinem Ministerium, mangelnde Information und Gefährdung des Verbotsantrags vorgeworfen wurden und werden, warnte in Berlin davor, das Verbotsverfahren durch parteitaktische Winkelzüge oder unsachliche Debatten in Misskredit zu bringen. Er bemühte sich, die Debatte über tatsächlich oder vermeintlich neu enttarnte Verfassungsschutzspitzel zu entschärfen. "Ich verstehe gar nicht, woher die Aufregung kommt. Das ist alles bekannt, spätestens seit letztem Jahr", sagte er.

Inzwischen sind fünf Namen ehemaliger V-Männer publik geworden, deren Äußerungen in den Verbotsanträgen von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag auftauchen, ohne dass die Antragsteller auf die Spitzeltätigkeit hingewiesen hatten. Drei Namen früherer V-Leute - die der seit längerem enttarnten Rechtsextremisten Tino Brandt, Matthias Meier und Mike Layer - sollen allerdings in den NPD-Anträgen an das Gericht genannt worden sein. Die Richter hatten als Reaktion auf den ersten Fall, den des langjährigen V-Mannes und einst hohen NPD-Funktionärs Wolfgang Frenz, das Verbotsverfahren vorläufig ausgesetzt und damit Spekulationen geweckt, dass der Prozess wegen der Spitzel affäre platzen könnte. Schily widersprach solchen Befürchtungen. Selbst die beiden bedeutsamen Fälle - der von Frenz und der des später enttarnten langjährigen, vom Bundesamt für Verfassungsschutz geführten V-Mannes und hochrangigen NPD-Funktionärs Udo Holtmann hätten keinen Einfluss auf den Ausgang des Karlsruher Verfahrens. "Das beeinträchtigt das Verfahren in gar keiner Weise", sagte der Minister.

Schily: Keine weiteren V-Leute

Schily zeigte sich zuversichtlich, dass keine weiteren brisanten Fälle mit Spitzeln des Bundesamts für Verfassungsschutz mehr bekannt werden. Für die Bundesländer und deren Verfassungsschutzämter wollte er sich so nicht festlegen. Dazu fehle ihm das Wissen. Ausdrücklich wies Schily Vorwürfe aus der Unionsfraktion zurück, wonach er den Bundestag nicht sofort über den Fall Holtmann informiert habe. Das habe er auch aus Geheimschutzgründen erst wenig später tun können. Er wies darauf hin, dass er über den V-Mann Holtmann erst am 22. Januar Kenntnis bekommen habe. Dem ehemaligen Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Eckart Werthebach (CDU), der als Berliner Innensenator an den Verbotsanträgen mitgearbeitet habe, sei der Fall jedoch seit Jahren bekannt gewesen. Insbesondere der CDU und CSU warf er vor, mit ihrem Verhalten dem Antrag zu schaden. Schily erinnerte an den Grundsatz: "Erst das Land, dann die Partei".

Die V-Mann-Enthüllungen hatten insbesondere im Bundestag zu Irritationen bei Abgeordneten der Koalition geführt. Neue Kritik an Schily kam nun von der Opposition und auch aus Bayern. Die FDP beantragte eine Sondersitzung des Bundestagsinnenausschusses vor der nächsten regulären Sitzung am 20. Februar, bei der Schily abermals Rede und Antwort stehen soll. Aus der Fraktionen von SPD und Grünen kam Widerspruch.

Beckstein gibt Schily-Ministerium "zu 100 Prozent" Schuld an Panne

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) gab Schily erneut die Schuld an der V-Mann-Affäre. Das Berliner Ministerium sei "zu 100 Prozent" für die geplatzte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht verantwortlich, sagte der Minister mit Blick auf die von Schily eingeräumten Informationspannen in seinem Haus.

Ungeachtet des Streits und aller Schuldzuweisungen verständigten sich Regierung, Bundesrat und Bundestag darauf, das Verbotsverfahren fortzusetzen. Spätestens am Montag soll dem Karlsruher Gericht eine gemeinsame Stellungsnahme der drei Antragsteller zugehen, in der die Fälle Frenz und Holtmann sowie die generelle V-Mann-Problematik dargelegt und die Bereitschaft zu weiterer Auskunftserteilung bei Wahrung von Dienstgeheimnissen erklärt werden. Eine Änderung der Verbotsanträge wird nicht ausgeschlossen, ist zumindest zunächst aber nicht geplant.

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