Schieflage der Demokratie:"Der meistgehasste Mann"

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Hans-Olaf Henkel stellt das neue Buch des Parteienkritikers Hans Herbert von Arnim vor. Dabei gefallen sich beide in ihrer Rolle als radikale Politikversteher.

Jonas Reese, Berlin

Hans-Olaf Henkel stützt sich mit beiden Händen auf das Rednerpult und neigt lächelnd den Kopf etwas zur Seite: "Nach diesem Buch wird er einer der meistgehassten Männer der Politik-Klasse sein." Merkwürdig, dass gerade er das sagt. Denn viele halten ihn selbst für einen politischen Querulanten. Gemeint ist mit dieser Formulierung aber der Mann neben Henkel. Hans Herbert von Arnim sitzt an einem kleinen Tischchen und lacht. Die Bezeichnung "meistgehasster Mann" scheint ihm zu gefallen.

Will mit seinem neuen Buch "Volksparteien ohne Volk" die "politische Realität verbessern" helfen: Hans Herbert von Arnim. (Foto: Foto: dpa)

Beide sind an diesem Montag ins Haus der Berliner Bundespressekonferenz gekommen, um von Arnims neues Buch vorzustellen. "Volksparteien ohne Volk" heißt es. Anlässlich des Superwahljahres und 60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik prangert er darin machtgierige Politiker an und bemängelt zahlreiche Schwächen im deutschen Parteien- und Wahlsystem. Ein Stockwerk obendrüber im großen Saal der Bundespressekonferenz erklären sonst Minister, Parteiobere oder Verbandsfunktionäre ihre Politik. Heute werden von Arnim und Henkel an der politischen Kaste kein gutes Haar lassen.

Umfangreiche Radikalforderungen

Hans Herbert von Arnim hat schon in zahlreichen Büchern auf den Volksvertretern herumgehackt. Titel wie "Macht macht erfinderisch", "Staat ohne Diener - Was schert die Politiker das Wohl des Volkes" oder "Fetter Bauch regiert nicht gern" gehören zu seinem Werk. Sein neues Buch "Volksparteien ohne Volk" reiht sich da nahtlos ein.

Wieder verschreckt er die politische Klasse mit umfangreichen Radikalforderungen. Von Arnim fordert ein Mehrheitswahlrecht nach britischem Vorbild. Bundespräsident und Ministerpräsidenten sollen direkt gewählt werden. Parteien will er so in ihrer Macht beschneiden. Die Anzahl der Bundesländer will er ebenfalls verringern. Die Handlungsfähigkeit des politischen Systems soll so verbessert werden.

Henkel unterstützt seine Forderungen. "Nirgendwo sind Parteien so mächtig und nirgendwo hat der Bürger so wenig zu sagen, wie in Deutschland", sagt er. Das habe von Arnim in seinem Buch "sehr eloquent" beschrieben. Ihre Blicke treffen sich kurz bei diesem Satz. Beide nicken anerkennend. Hier scheinen sich zwei gefunden zu haben.

Berufspolitiker sind überbezahlt

Dann ist von Arnim dran. Er wiederholt nochmal einige zentrale Gedanken seines neuen Buches. Wenn er wichtige Sätze sagt wie "die sogenannte" Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, sei "lediglich eine Show" oder "die Europawahl in Deutschland als 'Direktwahl' zu bezeichnen, grenzt an Volksverdummung" blickt er kurz über seine schwarz-umrandete Lesebrille zu den Zuhörern. Er wirkt dann wie ein Professor, der seinen Erstsemester-Studenten die Welt der Politik erklärt. Diesmal ist es Henkel, der zustimmend nickt.

So viel Einigkeit ist selten. Bis auf eine Sache könne Henkel dem Buch in allen Punkten zustimmen, sagt er. Er meint die Abgeordnetenbezüge: "Wenn man besser qualifiziertes Personal in die Politik locken möchte, dann muss man auch finanzielle Anreize bieten", findet er. Von Arnim sieht das ganz anders. Für ihn sind die meisten Berufspolitiker überbezahlt.

Dies hat er auch schon in seinem letzten Buch "Die Deutschlandakte" ausführlich dargelegt. 19 Wochen war es auf der Spiegel-Bestsellerliste. Inhaltlich gibt es dieses Mal nicht viel Neues. Wieder geht es um die Reformen des Wahlrechts, des Föderalismus oder der Entlohung der Politiker. Neu sind lediglich die konkrete Benennung von unmoralische handelnden Politiker und ein umfangreiches Europa-Kapitel. Mehr Neues muss auch nicht sein, deutet von Arnim an: "In diesen Wochen melden sich viele Kritiker zu Wort", sagt er, "da wäre es doch schade, wenn das Original schweigen würde."

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