Saddam:Vom Bundesgenossen zum Bösewicht

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Lange Zeit galt Saddam Hussein Amerikanern und Franzosen als Bollwerk gegen die Mullahs in Iran.

Von Rudolph Chimelli

Für die Iraker blieb Saddam Hussein immer derselbe: ein skrupelloser und gefürchteter Gewaltherrscher, den sie gerade deshalb widerwillig respektierten. Als erklärter Bewunderer Stalins zog er während der drei Jahrzehnte seiner Macht eine breite Blutspur. Politische Gegner, Rivalen, Kritiker, verschwörerische Offiziere oder auch nur vorlaute Höflinge ließ er gnadenlos liquidieren. Grausam dezimierte er den schiitischen Klerus. Saddam schreckte auch nicht davor zurück, enge Mitarbeiter selbst zu erschießen. Dreimal führte er sein Volk in nutzlose und verlustreiche Kriege, die den Irak wirtschaftlich ruinierten.

Das trübte sein Bild im Ausland lange Zeit nicht. Zuerst entdeckten ihn die Franzosen als ideologisch verwandten laizistischen Jakobiner, der sein Land im Zwangsgalopp zu modernisieren versprach. Präsident Jacques Chirac, damals Premierminister, führte Saddam 1975 durch das provenzalische Atomzentrum von Cadarache und verkaufte ihm den Reaktor "Osirak". Spötter nannten ihn alsbald "Ochirac". Die Israelis, denen die Aussicht auf eine arabische Atombombe nicht gefiel, bombten den Reaktor 1981 weg, während die Iraker im Krieg gegen Iran standen.

Durch diesen Krieg wurde Saddams Irak vollends zum Bollwerk gegen die im Westen befürchtete Ausbreitung der islamischen Revolution. Französische Rüstungsfirmen wie Dassault, Matra, Aerospatiale oder Thompson lieferten den irakischen Streitkräften, finanziert über Staatskredite, Kampfflugzeuge, Hubschrauber, Panzer, Geschütze und Munition in bis dahin beispiellosen Mengen. Zeitweise gingen 90 Prozent von Frankreichs Produktion der modernen Exocet-Raketen ins Zweistromland. Unter strikter Geheimhaltung lieh die französische Luftwaffe 1983 sogar ihre fünf neuesten Super-Étendard-Kampfjets an die Iraker aus. Sie waren dazu bestimmt, Tanker und Ölverladehäfen an der iranischen Golfseite zu bombardieren. Instrukteure wurden mitgeschickt. Von den Folterkellern des Bagdader Regimes und seinem Unterdrückungsapparat sprachen damals fast nur irakische Flüchtlinge. Wenige hörten auf sie.

Doch die Franzosen blieben nicht allein. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan unterzeichnete im Dezember 1983 eine vertrauliche Anweisung an seine Administration, "alles Notwendige und Legale" zu unternehmen, um eine Niederlage der Iraker gegen die Perser zu verhindern. Außenminister George Shultz hatte im Monat zuvor Geheimdienstberichte erhalten, die "von beinahe täglichem Gebrauch chemischer Waffen" durch die Iraker sprachen. Dennoch traf der heutige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld noch vor Jahresende mit Saddam in Bagdad zusammen. Rumsfeld reiste als Privatmann - mit einem Sonderauftrag des Präsidenten. Er stellte Hilfe zur Stabilisierung des irakischen Regimes und die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen in Aussicht, die zu jener Zeit unterbrochen waren. Von der Liste der Staaten, die Terrorismus unterstützen, war der Irak bereits gestrichen.

Auf der Halbinsel Fao südlich von Basra lagen damals reihenweise die Leichen gasvergifteter iranischer Revolutionswächter. Die Streitkräfte Teherans hatten den Grenzfluss Schatt-el-Arab überschritten und dieses strategisch wichtige Gebiet besetzt. Sicher vor internationalem Störfeuer, verkündete ein irakischer Militärsprecher: "Die Eindringlinge sollten wissen, dass es für jedes schädliche Insekt ein Vernichtungsmittel gibt. Der Irak besitzt dieses Vernichtungsmittel." Rumsfeld aber, später so empfindlich in Sachen Massenvernichtungswaffen, fiel nichts auf. Auch als Saddam 1988 im irakischen Kurdengebiet durch Gas 5000 Menschen umbrachte, gab es keinen Protest der USA. Erst zur Rechtfertigung des jüngsten Schlages gegen einen "Hort des Bösen" entdeckte Präsident George Bush, dass der irakische Diktator "seine eigenen Leute vergast hat".

Fast während des gesamten achtjährigen irakisch-iranischen Krieges stellten die Amerikaner den Irakern Informationen über ihren Gegner zur Verfügung. Sie stammten überwiegend von Awacs-Aufklärungsflugzeugen, die den Saudis gehörten, aber von der US-Luftwaffe betrieben wurden. Nach dem Ablauf von Geheimhaltungsfristen wurde bekannt, dass amerikanische Laboratorien während des Krieges mit Genehmigung des Handelsministeriums Dutzende von biologischen Wirkstoffen, darunter Anthrax-Stämme, nach Irak geliefert hatten. Dow Chemical verkaufte noch 1988 Schädlingsbekämpfungsmittel, obwohl über die chemische Kriegführung Saddams bereits hinreichend Material vorlag. Insgesamt stellten die USA den Irakern jedoch weit weniger konventionelle Rüstungsgüter zur Verfügung als Frankreich oder Russland. Erst als Saddam sich an Kuwait vergriff, verdüsterte sich sein Image in der nicht-arabischen Welt.

In Russland hat Saddam Hussein bis zuletzt Verehrer behalten. Nachdem die Amerikaner im Sommer seine beiden Söhne Kusai und Udai getötet hatten - genannt "Saddams schlimmste biologische Waffen" -, kondolierte der ultrarechte Wladimir Schirinowskij dem untergetauchten Diktator in einem offenen Telegramm: "Lieber Freund! Ihre beiden Söhne sind als wahre Krieger gestorben...Ihr Heldentod zeigt die Seelengröße des irakischen Volkes." Bei den Duma-Wahlen vorige Woche hat Schirinowskijs Partei 14 Prozent erhalten

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