Saarland:Weiter aufwärts am Schuldenberg

Lesezeit: 2 min

Auch die neue Saar-Regierung wird die Lücken im Landeshaushalt nicht schließen können - Hoffen auf den Bund.

Von Detlef Esslinger

Am Beispiel der Kindergärten lässt sich aufzeigen, welchen Spielraum die künftige saarländische Landesregierung haben wird. An der Saar ist der Halbtagsplatz im dritten Kindergartenjahr kostenlos.

Das Saarland ist das einzige Bundesland mit dieser Regelung, CDU-Ministerpräsident Peter Müller hat sie eingeführt. Müller sagt, Deutschland müsse kinderfreundlicher werden: "Es ist nicht plausibel, dass zwar Schulen und Universitäten keine Gebühren kosten, wohl aber die Kindergärten." Ausgerechnet das ärmste unter den alten Bundesländern ist so großzügig.

Dabei ist die Haushaltslage des Saarlands besonders schlecht. Und es ist absehbar, dass sie noch schlechter wird. Bei einem Etat von 3,3 Milliarden Euro werden sich am Jahresende 7,3 Milliarden Euro Schulden angesammelt haben.

Die Regierung rechnet damit, dass dieser Betrag in den kommenden drei Jahren weiter steigen wird, auf fast 9 Milliarden. Dafür gibt es zwei Gründe: die sinkenden Steuer-Einnahmen und das Auslaufen der Teilentschuldung zum Jahresende.

Hierbei handelt es sich um eine Hilfe des Bundes, die sich das Saarland zusammen mit Bremen zu Beginn der neunziger Jahre vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hat. 6,6 Milliarden Euro hat das Land seitdem erhalten.

Die Hilfe sollte zwei Zielen dienen: Das Land sollte Anschluss an das, finanziell gesehen, zweitschwächste der alten Bundesländer finden. Und es sollte seine Schulden soweit abbauen, dass die laufenden Einnahmen künftig zur Deckung der laufenden Ausgaben ausreichen.

Das erste Ziel wurde erreicht, das zweite nicht. Das erste deshalb, weil das Saarland - unter den SPD-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt, aber auch unter deren CDU-Nachfolger Peter Müller - sparsam gewirtschaftet hat.

Das zweite Ziel wurde verfehlt, weil die Steuerausfälle seit 2001 um 19 Millionen Euro höher waren als die Einnahmen aus der Teilentschuldung. Der Präsident des saarländischen Rechnungshofs, Manfred Plaetrich, sagt: "Praktisch findet die Teilentschuldung seit vier Jahren nicht mehr statt."

Nach Frankreich gezogen

Ursprung der Haushaltsnotlage sind die Montankrise sowie die Grenzlage des Landes. Die Sozialhilfelasten pro Einwohner liegen um 38 Euro über dem Bundesschnitt. Sieben von hundert Beschäftigten pendeln morgens aus Frankreich ein, wohin sie, der niedrigeren Einkommensteuer wegen, gezogen sind.

Im Bundesschnitt pendelt nur jeder Hundertste ein. Die Grenzgänger liefern morgens ihre Kinder in saarländischen Schulen und Kindergärten ab, sie nutzen also die Infrastruktur - ohne ihren Beitrag zur Finanzierung zu leisten. Ministerpräsident Müller taxiert die Summe der Sonderlasten auf 330 Millionen Euro im Jahr.

SPD und Grüne halten nun eine neue Teilentschuldung für unumgänglich; auch für Müller ist das eine der Optionen. Dass der Bund sich darauf einlässt, ist unwahrscheinlich - die CDU-Landesregierung und der SPD/CDU-geführte Senat von Bremen schließen eine erneute Klage vor dem Verfassungsgericht nicht aus.

Die SPD kündigte vor der Wahl an, als Beitrag zur Etatsanierung die Staatssekretäre abzuschaffen. Das brächte 2,5 Millionen Euro, und die Minister hätten keine Vertreter mehr.

Die CDU will bei den Gehältern der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes sparen, die Landesverwaltung straffen, eine "grundlegende Aufgabenkritik" vornehmen, und so weiter. Konkret will sie aber erst nach der Steuerschätzung im November werden, ergo: nach der Wahl.

Nur am kostenlosen dritten Kindergartenjahr will sie nichts ändern. Der Ministerpräsident wehrt sich gegen den Vorwurf, ausgerechnet das ärmste Land leiste sich einen solchen Luxus. "Lassen Sie uns alle Standards aller Bundesländer vergleichen", sagt er, "und Sie werden feststellen, dass das Saarland insgesamt sehr restriktiv Leistungen gewährt."

Über vielleicht zehn, fünfzehn Prozent des Haushalts kann die Landesregierung frei verfügen. Manfred Plaetrich, der Präsident des Rechnungshofs, kann an der Kindergarten-Regelung nichts Verwerfliches finden. Würde derlei gestrichen, erhielte die Regierung zwar den Beifall von Fiskalisten. "Aber Sie begeben sich jeder politischen Gestaltung.

"Ursprünglich hatte Müller vor, die Kindergarten-Gebühren auch fürs erste und zweite Jahr abzuschaffen. Den Plan gab er wegen der Steuer-Ausfälle auf.

© SZ vom 6.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: