Russland zieht Diplomaten ab:Spannungen mit Georgien nehmen zu

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Moskau bringt zudem seine Armee an der Grenze zur Kaukasusrepublik in Stellung. Georgiens Regierung hatte zuvor mehrere Offiziere unter Spionageverdacht verhaftet und hofft auf eine diplomatische Lösung.

In der Botschaft in Tiflis blieben lediglich zwei Vertreter des russischen Außenministeriums sowie Wachpersonal, sagte ein Botschaftssprecher am Samstag der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Zugleich wurde der auf Jahre angelegte Abzug der insgesamt noch 3000 russischen Soldaten vorerst gestoppt. Die in die NATO strebende Führung Georgiens stellte Moskau eine Ausweisung der unter Spionageverdacht stehenden russischen Offiziere in Aussicht.

Am Samstagabend wurde in Moskau ein Flugzeug des russischen Zivilschutzes mit den aus Georgien ausgereisten Diplomaten und deren Angehörigen erwartet. Der russische Botschafter Wjatscheslaw Kowalenko war bereits am Vortag nach Moskau gerufen worden. (Foto: Foto: AFP)

Der georgische Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili deutete die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung an. "Es kann sein, dass wir einen solchen Schritt machen. Ich schließe das nicht aus", sagte Okruaschwili am Freitagabend dem georgischen Fernsehen. Ein Gericht in Tiflis hatte zuvor in zwei Verfahren eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen alle vier angeklagten russischen Offiziere verhängt.

Regionaler Konflikt mit globalen Ausmaßen

Die vier Russen waren am Mittwoch in Tiflis verhaftet worden. Die georgische Polizei hält weiterhin das Gebäude des russischen Militärs in der Hauptstadt umstellt. Dort soll sich ein weiterer Offizier aufhalten, der von Georgien wegen des Vorwurfs der Spionage gesucht wird. Gegen die vier anderen in Georgien stationierten russischen Offiziere wurde am Freitag bereits formell Anklage erhoben. Die Vorwürfe lauten auf Spionage für den russischen Militärgeheimdienst, worauf nach georgischem Recht bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen.

Im Weltsicherheitsrat in New York konnten sich die USA und Russland nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme zum Konflikt einigen. Umstritten war die von Moskau eingebrachte Formulierung, die Verhaftung der russischen Militärs sei eine "nicht akzeptable und gefährliche Provokation".

In dem von den Vetomächten USA und Großbritannien abgelehnten Entwurf Russlands hieß es weiter, Georgien solle die Offiziere umgehend freilassen und sich aller Aktionen enthalten, die den Frieden in der Region gefährden könnten.

Experten sehen hinter dem jüngsten Streit zwischen Moskau und Tiflis auch globale Konflikte. Die USA suchen in Umgehung Russlands einen ungestörten Zugang zur rohstoffreichen Region um das Kaspische Meer. Durch das Transitland Georgien wird bereits Öl aus aserbaidschanischen Ölquellen in die Türkei gepumpt.

US-Präsident George W. Bush hat sich ausdrücklich für einen NATO-Beitritt der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien ausgesprochen. Eine weitere Ursache für den Streit zwischen Moskau und Tiflis ist das Schicksal der von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien. Es sind praktisch russische Protektorate. Die russischen Einheiten, die als Friedenstruppe die innergeorgischen Grenzen kontrollieren, wurden am Samstag in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Russland bringt seine Truppen in Südossetien in Stellung

Seit einigen Wochen werden russische Panzerspähwagen, Waffen und Soldaten über die Grenze nach Südossetien verlegt, wie die Agentur Interfax unter Berufung auf Polizeiquellen medlete. Der Präsident der international nicht anerkannten Republik Südossetien, Eduard Kokoity, dementierte dies und bezeichnete die Meldung als "eine weitere Provokation" durch Georgien. Die Regierung in Moskau hatte angekündigt, für eine Freilassung seiner vier Offiziere "alle Mittel" einzusetzen, was in Georgien Sorgen vor einem Krieg geschürt hatte.

Die Beziehungen zwischen den Regierungen in Moskau und Tiflis haben sich seit dem Amtsantritt des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili 2003 drastisch verschlechtert. Seit der friedlichen "Rosen-Revolution" strebt Georgien nach engeren Bindungen zum Westen und nach einem Beitritt zur Nato. Nach den Staaten des ehemaligen Ostblocks und der Ukraine droht Russland damit auch auf dem Kaukasus an Einfluss zu verlieren.

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