Russland vs. Großbritannien:Ein bizarrer Konflikt

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Ganz undiplomatische Diplomatie und eine Festnahme: Wie sich der Streit zwischen London und Moskau um das Kulturinstitut British Council verschärft hat.

Der Streit um die von Moskau verfügte Schließung der Regionalbüros des Kulturinstituts British Council in Russland nimmt immer bizarrere Züge an.

Das Kulturinstitut British Council in Moskau (Foto: Foto: AFP)

Der Leiter der Filiale in St. Petersburg, Stephen Kinnock, sei vorübergehend festgenommen worden, weil er falsch in eine Einbahnstraße eingebogen sei, meldete die Agentur Interfax am Mittwoch unter Berufung auf die Polizei.

Bei der Kontrolle am Dienstagabend habe Kinnock zudem nach Alkohol gerochen. Kinnock ist der Sohn des früheren Labour-Chefs und Präsidenten des British Council, Neil Kinnock. Nach einer halben Stunde sei er wieder freigelassen worden.

Im Streit um das Kulturinstitut hatte sich in den vergangenen Tagen der Ton zwischen Russland und Großbritannien weiter verschärft. Der britische Außenminister David Miliband warf Moskau am Dienstag in einer Erklärung vor, das Kulturinstitut als "Geisel" in einem diplomatischen Konflikt zu missbrauchen.

Sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow wertete die Entscheidung der Briten, die Regionalbüros des Instituts in Russland trotz Verbots wiederzueröffnen als Zeichen für "Nostalgie an Kolonialzeiten", berichtete die Nachrichtenagentur Interfax.

Außerdem behauptete der frühere KGB-Offizier und politische Analyst Juri Drosdow laut Interfax in Moskau, die Mitarbeiter der Kultureinrichtung arbeiteten mit dem britischen und dem US-Geheimdienst zusammen. "Wer sich die Führungen der Spionagedienste anschaut, sieht doch, dass sie sich über solche Strukturen (wie den British Council) qualifiziert haben", sagte Drosdow.

"Nostalgie an die Kolonialzeit"

Das Verhältnis zwischen Großbritannien und Russland ist durch einen Streit bei den Ermittlungen zum Mord an Alexander Litwinenko seit einiger Zeit schwer belastet. Nachdem die Regionalbüros des Kulturinstituts in St. Petersburg und Jekaterinburg am Montag trotz eines russischen Verbots wieder geöffnet hatten, hatte Moskau den britischen Botschafter einbestellt und eine Visa-Sperre für Mitarbeiter des British Council angekündigt.

Die britische Regierung werde "in Kürze" auf die von Russland angedrohten Sanktionen reagieren, hieß es aus London. "Wie die Regierung bereits mehrfach gegenüber den russischen Behörden deutlich gemacht hat, sind die Aktivitäten des British Council in St. Petersburg, Jekaterinburg und in ganz Russland vollkommen im Einklang mit russischen und internationalen Gesetzen", sagte Miliband. Die Anwesenheit des Kulturinstituts in Russland sei in einem Abkommen von 1994 geregelt.

Interfax zitierte Außenminister Lawrow mit den Worten: "Wir verstehen selbstverständlich, dass die geschichtliche Erinnerung - vielleicht verbunden mit Nostalgie an die Kolonialzeit - (in Großbritannien) schwer wiegt." Mit dieser "Sprache" komme man in Russland jedoch nicht weiter. In einem Rundfunkinterview mit der BBC hielt der russische Botschafter in London, Juri Fedotow, als nächsten Schritt die Schließung der Moskauer Council-Zentrale durch die russischen Behörden für möglich.

Seine Regierung behalte sich das Recht vor, über diese Frage nachzudenken, sollte Großbritannien das von Moskau ausgesprochene Verbot für die Regionalbüros nicht respektieren, sagte Fedotow.

Das russische Außenministerium hatte Anfang Dezember die Schließung aller Regionalbüros des British Council zum 1. Januar angeordnet. Nur die Hauptstelle in Moskau durfte bestehen bleiben. Als offizielle Gründe nannte Moskau Verstöße gegen Steuervorschriften und Aktivitäten, die außerhalb des offiziellen Aufgabenbereichs des Instituts lagen.

Außenminister Sergej Lawrow gab jedoch bereits im Dezember zu, dass der wahre Auslöser die Ausweisung von vier russischen Diplomaten aus Großbritannien im Juni vergangenen Jahres war. Im Zuge der Ermittlungen zum Mord an dem Ex-KGB-Agenten Alexander Litwinenko hatte London erfolglos die Auslieferung des verdächtigen russischen Ex-Agenten Andrej Lugowoi verlangt. Daraufhin waren die Diplomaten ausgewiesen worden.

© sueddeutsche.de/dpa/afp/ihe/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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