Russland, USA und Abrüstung:Knifflige Verhandlungen

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Washington und Moskau sprechen seit heute über ein Nachfolgewerk für den auslaufenden Start-I-Vertrag - doch die Zeit ist knapp angesichts der offenen Fragen.

Sonja Zekri

Die Rhetorik ist manchmal noch die alte, aber die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Der Kalte Krieg ist Geschichte. Für Russland und die USA, die größten Nuklearmächte, ist der Unterhalt ihrer Atomwaffenarsenale eine teure Bürde.

Diese Aufnahme von 2005 zeigt waffenfähiges Plutonium in einer amerikanischen Produktionsstätte. (Foto: Foto: AP)

Die Atompolitik ist auch strategisch überholt, weil das nukleare Drohpotential nach dem Ende der Blöcke sinnlos geworden ist. Außerdem schadet sie politisch: Warum sollten sich Staaten wie Brasilien oder Ägypten für die Nichtverbreitung von Nuklearmaterial beispielsweise an Syrien engagieren, wenn die größten Atommächte nicht abrüsten?

Doch nach Jahren des Verschleppens hat der amerikanische Präsident Barack Obama jüngst seine Vision einer Welt ohne Atomwaffen vorgestellt. In seiner neuen Sicherheitsstrategie bekennt sich Russland zur Abrüstung bis zum Jahr 2020.

Nach Vorgesprächen in Rom beginnen an diesem Montag in Moskau deshalb die erfolgversprechendsten Verhandlungen seit Jahren. Aus Moskauer Sicht hat bereits das Treffen einen wichtigen Zweck erfüllt: Mit jedem Gespräch über das russische Atomarsenal bestätigen die USA Russlands Großmachtstatus.

Das liegt neuerdings durchaus im amerikanischen Interesse. Russland mag für Obama "kein Feind, aber auch kein enger Verbündeter" sein, aber interessengelenkte Verhandlungen unter Gleichen wirken immer entspannend.

Duzende Unterhändler

Die Chefs der Delegationen, Rose Gottemoeller und Anatolij Antonow, nennen sich beim Vornamen und kennen sich lange. Gottemoeller war Leiterin des Carnegie-Zentrums in Moskau und forscht seit Jahren über die Begrenzung von Atomwaffen.

Dennoch halten es Experten für so gut wie ausgeschlossen, dass die beiden das wichtigste Ziel erreichen: Dass sie fristgerecht einen Nachfolgevertrag für Start I ("Strategic Arms Limitation Talks" - "Gespräche zur Begrenzung strategischer Waffen") herbeiverhandeln. Start I war im Juli 1991 abgeschlossen und im Dezember 1994 in Kraft getreten; der Vertrag läuft im Dezember 2009 aus.

Das Abkommen erlaubt Russland und Amerika je 1600 nuklear-strategische Trägersysteme, also U-Boote, Raketen oder Bomber, und je 6000 nukleare Gefechtsköpfe. Nachfolgeverträge traten entweder nie in Kraft (Start II) oder greifen zu kurz (SORT).

In Moskau wird es deshalb auch darum gehen, ob beide Seiten Start I einfach um fünf Jahre verlängern - was möglich, aber langfristig unerwünscht ist. Lieber wäre beiden Seiten ein neues Abkommen, das sich an neue militärischen Bedürfnisse anpasst. Russland, dessen Raketen und U-Boote schneller rosten, als es neue produzieren kann, stellt sich ein bescheidenes, aber modernes und bezahlbares Nukleararsenal vor.

Viele offene Fragen, wenig Zeit

Amerika hat eine Reduzierung auf 1000 nukleare Gefechtsköpfe vorgeschlagen, Russland bietet 1400 an. Beide Seiten könnten sich ohne Gesichtsverlust in der Mitte treffen. Dann aber wird es kompliziert.

Anders als die USA plant Russland langfristig keine Lagerung von nuklearen Gefechtsköpfen im großen Stil, sondern will alle Sprengköpfe auf die Trägersysteme montieren.

Werden die Abrüstungsinspektoren deshalb auch die Sprengköpfe in den Silos mitzählen, wie Moskau es fordert? Wie werden strategische Trägersysteme gewertet, die nuklearfähig sind, aber auch konventionell bestückt großen Schaden anrichten können? Wie sind Raketenabwehrsysteme zu beurteilen, zum Beispiel der geplante Raketenschild der Nato, den Moskau heftig bekämpft?

Ein halbes Jahr ist nicht viel Zeit für so viele Fragen.

© SZ vom 18. Mai 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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