Russland und Amerika:Aus dem Gleichgewicht

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Eine mobile Abschussrampe für eine ballistische Topol-M-Rakete. (Foto: Sergei Karpukhin/Reuters)

Der Plutonium-Vertrag ist ausgesetzt, die Kooperation in der atomaren Forschung ebenso: Das Klima zwischen Russland und den USA ist denkbar schlecht. Experten sehen deshalb die Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs.

Von Frank Nienhuysen, München

Es war ein rhetorischer Doppelschlag, der Sorgen macht: Wegen "unfreundlicher Handlungen" der USA kündigte Präsident Wladimir Putin an, Russland setze das Abkommen zur Entsorgung von waffenfähigem Plutonium aus. 34 Tonnen Plutonium sollen beide Seiten demnach vernichten. Moskau wirft Washington vor, sich nicht an die Abmachung zu halten. Doch die Ankündigung hat eher politische Symbolik, denn Russland hat ein Interesse an der Beseitigung dieser Altlast, während die USA durchblicken ließen, dass ihnen die Umwandlung in Brennelemente zur Energiegewinnung ohnehin zu teuer gerät. Als nächstes stoppte Moskau eine Zusammenarbeit in der atomaren Forschung. Stehen nun auch Abrüstungsverträge auf dem Spiel?

Beide Mächte streiten über den INF-Vertrag, der die Entwicklung, Herstellung und Stationierung von Mittelstreckenraketen verbietet, die eine Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern haben. Washington wirft Moskau vor, den Vertrag zu verletzen, weil es neue landgestützte Marschflugkörper getestet habe. Russland bestreitet dies und beschuldigt die USA, dass sie vom Raketenabwehrsystem in Rumänien auch Marschflugkörper abschießen könnten, was das US-Militär ausschließt.

"Der KSE-Vertrag ist nur noch eine leere Hülle."

Moskau beruft sich oft darauf, dass Washington unter Präsident George W. Bush den ABM-Vertrag kündigte, um ein Raketenabwehrsystem zu installieren. Doch zuletzt sah sich auch Russland nicht mehr an Abkommen gebunden: Es setzte den KSE-Vertrag aus, der in Europa bei Kampfflugzeugen, Panzern, Hubschraubern und Artillerie ein strategisches Gleichgewicht sichern sollte. "Es gibt ihn noch, aber er ist nur noch eine leere Hülle", sagt Rüstungsexperte Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Auch wenn die Aussetzung des Plutonium-Abkommens "in der Sache nicht schlimm" sei, so sorgt er sich, weil "Verträge zunehmend der Verschlechterung des politischen Klimas zum Opfer fallen". Langfristig steige so die Gefahr eines Rüstungswettlaufs.

Optimistisch ist er beim Neuen Start-Abkommen, das von Februar 2018 an eine Obergrenze von je 1550 Atomsprengköpfen vorsieht. Die Amerikaner liegen nach eigenen Angaben bereits darunter, die Russen aber sollen ihre Zahl wieder erhöht haben. Gleichwohl sagt Meier: "Beiden Seiten ist an weniger Sprengköpfen gelegen. Und die USA haben noch sehr viele in Reserve. Würde Russland den Vertrag aufkündigen, wären sie frei, sie zu stationieren."

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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