Rinderwahn in den USA:Bush-Gegner schlachten das BSE-Thema aus

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Die Demokraten stürzen sich dankbar auf den ersten BSE-Fall. Es gibt kaum ein anderes Problem, mit dem sie den Präsidenten derzeit in Bedrängnis bringen könnten.

Von Marc Hujer

Dass es dem Präsidenten ernst ist mit dem ersten BSE-Fall in seinem Land, kann man schon daran ermessen, dass er am Wochenende über seinen privaten Speiseplan reden ließ. Seit dem 11. September 2001, seit Angst die politische Agenda bestimmt, Angst vor abstürzenden Flugzeugen, vor verseuchten Briefen und infizierter Luft, scheint jede neue Gefahr das Zeug zum großen politischen Thema zu haben. Und so lässt George W. Bush, der Präsident der Vereinigten Staaten, erklären, er esse selbstverständlich noch immer Fleisch. "Er isst weiterhin Rindfleisch, er hat Rindfleisch in den letzten Tagen gegessen", sagte sein Sprecher Scott McClellan. Bushs Landwirtschaftsministerin Ann Veneman hatte den Schwur aufs Rindfleisch schon vorher abgelegt.

Ein starkes Thema für die Demokraten

Die Opposition stürzt sich dankbar auf das Thema. Es gibt kaum ein anderes Problem, mit dem sie Bush derzeit in Bedrängnis bringen könnte. Die Wirtschaft wächst mit fast unglaublichen Raten, die Börsenkurse steigen und selbst die Angst vor Entlassungen hat abgenommen. Auch die Kritik am Krieg im Irak ist eher gedämpft, nachdem Saddam Hussein festgenommen wurde.

Und so kündigten mehrere demokratische Präsidentschaftskandidaten an, sie wollten BSE zu einem Hauptthema im laufenden Vorwahlkampf in Iowa machen. Senator John Kerry hat schon einen Fünf-Punkte-Plan erstellt, der Bush in Zugzwang bringen soll. Und Howard Dean zweifelte an, dass die Regierung in der Lage sei, sich um die Sicherheit der Verbraucher zu kümmern und die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft im Auge zu behalten.

Bedeutung nicht unterschätzen

Es ist sicherlich übertrieben, zu glauben, BSE könne nun zum entscheidenden Thema des Präsidentschaftswahlkampfs werden. Aber man sollte die Bedeutung von BSE nicht unterschätzen in einem Land, das nicht nur für seine Liebe zu Hamburgern bekannt ist, sondern auch für die Macht der Fleischindustrie.

In vielen Staaten des Westens, Staaten, in denen die Klientel von Republikanern wie George W. Bush zu Hause ist, ist die Fleischwirtschaft eine der beherrschenden Branchen. Sie zu regulieren, ihr schmerzhafte Auflagen zu machen, damit sich die Bevölkerung wieder sicherer fühlt, wird gerade Bush nicht leicht fallen. Er wird abwägen müssen zwischen öffentlicher Sicherheit und dem Wachstum einer ihm geneigten Industrie, gerade wenn sich die Seuche noch weiter ausbreiten sollte. Dass er dabei gewinnt, ist alles andere als ausgemacht.

Großer Imageschaden

Die Wirtschaft dürfte in jedem Fall Schaden nehmen, selbst wenn Bush in den nächsten Wochen keine Massenschlachtungen anordnen lassen muss. Der Imageschaden für amerikanisches Rindfleisch im In- und Ausland ist schon so groß, dass der Verband der Rindfleischindustrie mit Verlusten von sechs Milliarden Dollar rechnet. "In nur drei Tagen haben wir etwa 90 Prozent unserer Exportmärkte verloren", sagt Gregg Doud, der Chefökonom des Verbandes. Der Rindfleischindustrie ist es in den vergangenen Jahren gut gegangen, weil viele Amerikaner auf die eiweißhaltige "Atkins-Diät" schwören. Die Washington Post sprach daher noch kurz vor Weihnachten von einem Goldrausch der Ranger. "Die Politiker müssen schnell handeln", sagt Floyd Ciruli, ein politischer Analyst aus Colorado. "Die Psychologie ist immer schneller als die Fakten."

© SZ vom 30.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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