Rheinland:Sommer alaaf!

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Düsseldorf will weniger Ballermann-Atmosphäre in der Altstadt - wohingegen manche Kölner Wirte gar nicht genug davon haben können. Das Motto ihres neuen Projekts: "Jeck im Sunnesching".

Von Bernd Dörries

Es gibt natürlich Froschkotze in der Düsseldorfer Altstadt, eine grüne Likörmischung, und man kann auch Sangria aus einer Kloschüssel trinken. So oder so fangen die meisten danach an zu singen. Es sind Lieder, Tänze, Sitten und Gebräuche, die man früher nur aus Mallorca kannte. Mittlerweile gibt es in der Düsseldorfer Altstadt fast mehr Ballermann-Atmosphäre als auf Mallorca selbst. Die großen Lokale von der Insel haben längst ihre Filialen am Rhein eröffnet, es ist eine Art Re-Import - der den Düsseldorfern mittlerweile aber zu viel wird.

Seit Jahren wird in der Landeshauptstadt über den Charakter der Altstadt diskutiert, die eine ziemlich rasche Entwicklung genommen hat. Abwärts, so sehen es viele.

Früher waren die Brauhäuser und Kneipen der Ort, an dem die Künstler aus der berühmten Akademie nebenan noch viele letzte Biere tranken. Im Ratinger Hof wurde der deutsche Punk erfunden. Schöne Ecken gibt es immer noch, aber die Junggesellenabschiede rücken ihnen immer weiter auf die Pelle. Wenn neue Lokale aufmachen, dann meist mit Strohhalm und Sangria-Eimer.

Die Stadt will nun gegensteuern, den Urwald aus Lautsprecherboxen und Heizpilzen zurückdrängen, die Musikbeschallung im Freien wird verboten. Die Toten Hosen sangen einst von Düsseldorf als längster Theke der Welt. Soll es nun die leiseste werden?

"Es geht uns nicht darum, dass die Altstadt eine Ruhezone wird, aber wir wollen bei den Auswüchsen gegensteuern", sagt Ordnungsdezernent Stephan Keller. Bisher seien in den Gassen Lautstärken von mehr als 80 Dezibel gemessen worden, was der Leistung eines Lkw entspricht. Nun sollen die Sangria-Eimer nur noch innerhalb der Lokale getrunken werden.

Während in der Düsseldorfer Altstadt mittlerweile ganzjährig reger Betrieb herrscht, fühlt sich die Kölner Gastronomie offenbar noch nicht ganz ausgelastet. Dort werden jeweils zu Karneval Spitzenumsätze verzeichnet, danach flaut das Geschäft aber ab. Es seien harte Zeiten für die Wirte, sagt Thomas Deloy, der bei der Gaffel-Brauerei für das Marketing verantwortlich ist. "Wir wissen alle, dass die Gastronomie in den letzten Jahren arg gebeutelt worden ist - über Nichtrauchergesetz und allgemeine Konsumzurückhaltung bis hin zu überzogenen Sky-Gebühren." Um den Bierkonsum etwas anzukurbeln hatten sie bei Gaffel die Idee, einfach im Sommer nochmal Karneval zu feiern. Und so kommt es nun. Am 29. August treten unter dem Motto "Jeck im Sunnesching" viele der großen Mundart-Bands auf, mehr als 100 Kneipen haben sich bereits dem Karneval in der Nebensaison angeschlossen, der aber nicht so heißen darf. Die Veranstalter wissen nämlich ganz genau, dass ihre Idee bei den Traditionalisten wenig Anklang findet. Das Festkomitee hält das alles für reine Geldmacherei. "Das Kulturgut Kölner Karneval ist ein jahrhundertealtes Winterbrauchtum. Wenn man diesem Fest profitorientiert die Seele nimmt, verkümmert das Kulturgut zu einer bloßen Marketingaktion", sagt Präsident Markus Ritterbach. Letztlich ist es aber egal, wie das Motto gerade heißt in Köln. Karneval ist irgendwie eh schon das ganze Jahr in dieser Stadt.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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