Reinhold Gall:"Ihr kriegt aber richtig auf die Hucke"

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Der 60-jährige Reinhold Gall (SPD) trägt die jüngste Reform der Altersversorgung mit - trotz aller Kritik. Von 2011 bis 2016 war er Innenminister in Stuttgart. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Die Landtagsabgeordneten in Stuttgart genehmigen sich mehr Geld - das bringt viele auf die Barrikaden.

Interview von Josef Kelnberger

Ein Sturm der Entrüstung fegt über den Landtag von Baden-Württemberg hinweg: Die Abgeordneten kippen kurzerhand die Parlamentsreform von 2008 und genehmigen sich wieder eine Staatspension, weil die private Vorsorge aus ihrer Sicht zu wenig Ertrag bringt; und statt im Gegenzug die Diäten wieder zu reduzieren, werden weitere Zuwendungen erhöht. Selbstbedienungsmentalität, Futter für Rechtspopulisten? Reinhold Gall, 60, hat als Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD das Gesetz mit Grünen, CDU und FDP verhandelt.

Herr Gall, Ihre SPD findet unter Martin Schulz gerade wieder Anschluss an die kleinen Leute - und im Südwesten genehmigen Sie sich nun eine "Luxusrente"?

Ich persönlich profitiere von der neuen Regelung nicht, denn ich bin seit 2001 im Landtag und gehöre deshalb zu den Altfällen, die ohnehin im Pensionssystem sind. Aber ich befürworte die Reform. Niemand soll sich abhalten lassen, für den Landtag zu kandidieren, weil er sich mit seiner Altersversorgung verschlechtert. Und was ist denn eine "Luxusrente"? Wenn meine Mutter, eine Durchschnittsrentnerin, das sagt, hat sie vielleicht recht. Aber wenn ich den Begriff nun von Verfassungsrechtlern oder Verbandsfunktionären höre, die auch nicht mit der gesetzlichen Rente heimgehen - dafür habe ich kein Verständnis.

Aber selbst Parteimitglieder rebellieren doch - vor allem, weil das Gesetz binnen weniger Tage durchgepeitscht wurde. Hatten Sie ein schlechtes Gewissen?

Nein, wir diskutieren das Problem doch seit Jahren. Nach der Wahl 2016 haben sich nun die neuen Abgeordneten damit befasst. Zugegeben, es trifft vor allem eine kleine Gruppe, die sozusagen schon zu den Privilegierteren gehört, nämlich die Beamten. Aber das ist völlig legitim, auch wenn mich persönlich die Rente nicht interessiert hat, als ich Abgeordneter wurde. Als wir uns nun zwischen CDU, Grünen und FDP über höhere Mitarbeiterentschädigungen und Kostenpauschalen verständigt hatten, haben wir auch das Thema Altersversorgung aufgerufen. Und eine Einigung mit CDU und Grünen erzielt. Im Nachhinein kann ich nachvollziehen, dass das wie ein Hauruckverfahren wirkt.

In allen drei Parteien herrscht nun schwere Verstimmung. Ihre Landesvorsitzende Leni Breymaier hat sich sogar öffentlich distanziert von der Reform ...

Als Gewerkschafterin kämpft sie seit Jahr und Tag für ein einheitliches, gerechtes Rentensystem. Hier Renten, dort betriebliche Altersversorgung, hier Pensionen, dort Abgeordnetenversorgung - damit hat sie ein Problem. Ihre Kritik hat mich nicht überrascht, auch wenn ich sie mir nicht gewünscht hätte.

Letztlich dürfte die AfD von der Affäre profitieren. Kann es sein, dass die sogenannten etablierten Parteien doch unter einer Käseglocke Politik machen?

Es mag solche Politiker geben, aber ich zähle mich nicht dazu. Ich bin Mitglied in mehreren Vereinen, gestern war ich mit der Freiwilligen Feuerwehr bei zwei Einsätzen. Da sagten die Leute zu mir: Gerade kriegt ihr aber richtig die Hucke voll! Manche sagen auch: Deinen Job möchte ich nicht machen, Reinhold! Wir Abgeordneten sind verfassungsrechtlich verpflichtet, über unsere Angelegenheiten selbst zu entscheiden, deshalb gibt es immer Ärger. Aber mit einer solch unsachlichen Debatte hatte ich nicht gerechnet. Nach der alten Regel gibt es die Pension ab 58, nach der neuen erst ab 67. Davon liest man kaum etwas.

Vermutlich wird es nun einen "Volksantrag" geben. Knapp 40 000 Unterschriften genügen, und der Landtag muss sich noch einmal mit dem Thema befassen. Wie stecken Sie den Tumult weg?

Sie können sicher sein: Auch einen alten Haudegen wie mich lässt so was nicht kalt. Die Kritik macht mir zu schaffen, weil ich weiß, dass damit ein Vertrauensverlust für die Politik einhergeht. Ich bin Parlamentarier, ich glaube an die Politik. Sollte es einen Volksantrag geben, werden wir dem natürlich Folge leisten. Aber ich stelle mich auch jetzt schon der Kritik. Wenn sich Leute telefonisch beschweren, rufe ich zurück. Und ich werde alle Mitglieder meiner Partei, die sich aufregen, zu einem persönlichen Gespräch einladen.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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