Regierungs-Auskünfte:Schweigsamkeit versus Kontrolle

Lesezeit: 2 min

Die Grünen streiten vor dem Verfassungsgericht für umfassende Regierungs-Auskünfte, zum Beispiel zur Rolle der Finanzaufsicht Bafin. Das ist heikel. Der Vorsitzende Richter Voßkuhle deutet eine Lösung an.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die "Kleine Anfrage" gehört zu den wichtigsten Rechten der Opposition, Grüne und Linke haben sie geradezu zu einem Paradeinstrument entwickelt, um die Bundesregierung zu öffentlichen Auskünften zu zwingen. Eigentlich kein neues Thema für das Bundesverfassungsgericht. Dennoch steht nun eine Grundsatzentscheidung bevor: Dürfen Fragen abgeblockt werden, nur weil sie ins private Wirtschaftsgeschehen hineinwirken?

Geklagt haben mehrere Abgeordnete der Grünen. Mit umfangreichen Fragelisten wollten sie etwaige Versäumnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) im Vorfeld der Finanzkrise von 2008 offenlegen, doch die Antwort der Bundesregierung lautete häufig: Das muss geheim bleiben, weil sonst die Wettbewerbssituation der betroffenen Banken Schaden nimmt - ebenso wie das Vertrauen in die Bafin. Ähnlich schweigsam gab sich die Regierung bei Fragen zum Bahnprojekt "Stuttgart 21", unter anderem deshalb, weil die Deutsche Bahn ein privates Wirtschaftsunternehmen sei, wenngleich in staatlicher Hand. Privat? Die Bundeskanzlerin habe das Bahnprojekt doch als "kluge Zukunftspolitik" bezeichnet, ätzte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz in der Karlsruher Verhandlung.

"Ich habe da ein Störgefühl", sagt Richterin Christine Langenfeld

Kann sich die Regierung also mit der Privatisierung einer Infrastrukturaufgabe gleichsam aus der Pflicht stehlen, auf unangenehme Fragen zum Umgang mit Steuermitteln öffentlich zu antworten? Der Zweite Senat unter Vorsitz von Andreas Voßkuhle zeigte sich skeptisch. "Ich habe da ein Störgefühl", bekannte Christine Langenfeld. Ihre Kollegin Monika Hermanns wies darauf hin, dass der Bund als hundertprozentiger Eigentümer doch alle Einflussmöglichkeiten auf das Unternehmen Bahn AG habe. Und Voßkuhle warf die grundsätzliche Frage auf, ob bei einer solchen "Organisationsprivatisierung" der Informationsbedarf nicht sogar höher sei, weil bei der Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben durch private Gesellschaften die "Steuerung durch Wissen" eine Rolle spiele.

Gut denkbar also, dass das Gericht den Abgeordneten bei Unternehmen in staatlicher Hand zumindest im Grundsatz ein Fragerecht eröffnet. Das Spannungsverhältnis zwischen Transparenz und Geheimhaltung ist damit aber noch nicht aufgelöst, das wird vor allem beim Thema Finanzkrise deutlich. Einerseits - darauf wies Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke hin - reagieren die Märkte sensibel auf Informationen zum Finanzmarkt. Andererseits können bei einer Bankenrettung dem Haushalt schnell mal ein paar Milliarden verloren gehen, ohne dass die Abgeordneten ihre Kontrollrechte hinreichend wahrnehmen können. Voßkuhle deutete an, die Lösung könnte in einer zeitversetzten Information liegen - zwei, drei Jahre nach der heiklen Phase. An diesem Mittwoch wird die Anhörung fortgesetzt; mit einem Urteil ist erst in einigen Monaten zu rechnen.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: