Reform:Neue Geldquellen für Krankenkassen gesucht

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Die Bürger sollen die Kosten des Gesundheitssystems künftig nicht nur über Beiträge bezahlen. Dann könnte der "Gesundheitssoli" kommen.

Andreas Hoffmann und Michael Bauchmüller

In ihrem vierstündigen Gespräch einigten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD auf gemeinsame Ziele für die Gesundheitsreform. Demnach wollen sie die Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhalten, auch sollten Gutverdiener mehr zahlen als Arme.

Woher nehmen? Eine Arbeitsgruppe der Union und der SPD sucht neue Geldquellen. (Foto: Foto: dpa)

Darüber bestehe Einigkeit, sagte am Donnerstag Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Zugleich will die Regierung die Einnahmebasis der Kassen erweitern, um die Arbeitskosten zu verringern.

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sagte, es sei nötig, neben den Kassenbeiträgen auch andere Geldquellen zu erschließen. Man könne dies erreichen "über Beiträge oder anders".

Auf konkrete Instrumente, woher das zusätzliche Geld kommen soll, haben sich die Parteien jedoch nicht verständigt. Dazu soll eine Arbeitsgruppe weitere Details ausarbeiten.

Ziel sei es, bis zum Sommer Hauptelemente der Reform zu beschließen, sagte Schmidt. Zugleich will sie ein Gesamtpaket auf den Weg bringen.

"Wir wollen die Reform in einem Zug und auch in diesem Jahr komplett verabschieden", sagte sie. Einzelne Teile könnten aber zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft treten.

An diesem Freitag will sich die Arbeitsgruppe erstmals treffen. Sie besteht aus 16 Experten von Union und SPD, auch Fachleute aus den Ländern sind vertreten.

Geleitet wird das Gremium von Ulla Schmidt, Stellvertreter ist Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller. Auf SPD-Seite gehören der Runde zudem an: Fraktionsvize Elke Ferner, die gesundheitspolitische Sprecherin Carola Reimann und der Abgeordnete Karl Lauterbach.

Hohes Defizit erwartet

Die Union schickt die gesundheitspolitische Sprecherin Annette Widmann-Mauz, die Staatsministerin Hildegard Müller, Bayerns Sozialministerin Christa Stewens und ihren Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann.

Die gesetzlichen Kassen leiden unter Finanznot. Weil die schwarz-rote Bundesregierung Milliardenzuschüsse gestrichen hat und die Mehrwertsteuer erhöht, dürfte den Kassen Anfang nächsten Jahres viel Geld fehlen.

Experten erwarten ein Defizit von sieben bis zehn Milliarden Euro. Noch ist unklar, wie die Regierung diese Lücke schließen will. Zuletzt wurden verschiedene Modelle diskutiert.

So könnte etwa ein "Gesundheitssoli", ein Zuschlag zur Einkommensteuer, eingeführt werden. Nachgedacht wird auch über einen Fonds, in denen die Beiträge der gesetzlich Versicherten fließen und von dort dann an die Kassen weiter verteilt werden sollen.

Darüber hinaus sollen sich die Experten auch mit der Rolle der privaten Krankenversicherer (PKV) beschäftigen.

Insbesondere die SPD will diese in die Reform einbeziehen.

Nach längerem Widerstand zeigen dafür auch einige Unionspolitiker Sympathie. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung spielt derzeit das Kompromissmodell einer "kleinen Kopfpauschale", wie es im Hause Schmidt entwickelt wurde, keine große Rolle.

Mehr Wahlfreiheit

Unionskreise verwiesen außerdem darauf, dass die Konzepte der Vergangenheit zur Gesundheitsreform weniger wichtig würden: "Die Beschlüsse vom Leipziger Parteitag werden jetzt Stück für Stück beerdigt."

Zöller sagte, dass auch die Strukturen im System verbessert werden müssen. So müssten die Patienten mehr wählen können und die Grenzen zwischen der Behandlung in den Praxen und den Kliniken fallen.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nannte als weitere Ziele der Reform, dass die Menschen weiter am medizinischen Fortschritt teilhaben sollen.

Die Krankenkassen begrüßten das Vorgehen, weil die Koalition auf Qualität setze, sagte der Chef des AOK-Bundesverbandes, Hans-Jürgen Ahrens. Auch die privaten Krankenversicherer zeigten sich zufrieden.

Eine Versachlichung der Diskussion sei "dringend geboten", sagte PKV-Verbandschef Reinhold Schulte. Die Liberalen verwiesen darauf, dass eine Mehrbelastung der Bürger nur gerechtfertigt sei, wenn das System zukunftsfest gemacht werde. Die Grünen warfen der Koalition vor, auf der Stelle zu treten.

© SZ vom 7.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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