Reform-Marathon:Rentenbeitrag soll erneut steigen

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Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Regierungskreisen soll das Kabinett am Sonntag in einer Klausursitzung die Rentenerhöhung beschließen. Im Gespräch ist, den Satz auf 19,7 oder 19,8 Prozent des Bruttolohns zu erhöhen.

Von Andreas Hoffmann

(SZ vom 18. Oktober 2003) Grund ist das Defizit der Rentenversicherung, das Fachleute für dieses Jahr auf acht Milliarden Euro veranschlagen. SPD-Fraktionsvizechefin Gudrun Schaich-Walch zeigte Sympathie für das Vorhaben, Kritik kam von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement.

Mit ihrem Plan, den Rentenbeitrag zu erhöhen, leitet die Bundesregierung eine Wende ein. Kürzlich hatte Rot-Grün noch eine erneute Erhöhung ausgeschlossen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte stets versichert, dass die Koalition den Beitrag stabil halten wolle, damit die Lohnnebenkosten nicht weiter steigen.

Acht Milliarden Defizit

Kürzlich relativierte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz dieses Ziel. Am Freitag nun verabschiedete sich die Regierung nach SZ-Informationen vom ursprünglichen Plan. Zuvor hatte der Schätzerkreis der Rentenversicherung das Defizit für dieses Jahr auf acht Milliarden Euro veranschlagt. Grund ist die hohe Arbeitslosigkeit, wodurch Beitragsgelder fehlen.

Ohne ein Gegensteuern müsste der Beitragssatz von derzeit 19,5 auf 20,3 Prozent klettern. Dies sei aber nicht geplant, hieß es in Regierungskreisen. So denkt Rot-Grün an eine "moderate Anhebung" auf 19,7 oder 19,8 Prozent. "Ein Satz von über 20 Prozent ist völlig illusorisch", hieß es. Bereits am Freitagnachmittag wollten Sozialministerin Ulla Schmidt und Finanzminister Hans Eichel mit Kanzler Gerhard Schröder (alle SPD) beraten. Am Sonntag will das Kabinett endgültig beschließen.

"Das wäre nicht gut, ganz klar"

Die geplante Anhebung wurde unterschiedlich beurteilt. Die SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch zeigte "Sympathie für diesen Schritt". "Bei den Zahlen, die jetzt gekommen sind, sollte man darüber nachdenken, diesen Weg zu gehen", sagte sie. Dagegen kam Widerspruch von den Grünen.

"Eine Beitragssatzerhöhung lehne ich aus wirtschaftspolitischen Gründen ab", sagte die grüne Finanzexpertin Christine Scheel. Ähnlich äußerte sich der Wirtschaftsstaatssekretär Rezzo Schlauch. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wies auf steigenden Lasten für die Firmen hin, da sich Unternehmen und Beschäftigte den Rentenbeitrag teilten. "Das wäre nicht gut, ganz klar", sagte Clement.

Gerster: "Katastrophe für den Arbeitsmarkt"

Scharfe Kritik kam vom Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, der von einer "Katastrophe für den Arbeitsmarkt" sprach. "Jeder Prozentpunkt mehr bei den Sozialbeiträgen kostet mindestens 100000 Arbeitsplätze", sagte er. Unklar ist noch, wie groß die Lücke in der Rentenkasse tatsächlich ist. Denn Eichel beharrt weiterhin darauf, dass Ulla Schmidt im Rentenetat zwei Milliarden Euro einspart.

Das sieht auch das Haushaltsbegleitgesetz vor, das der Bundestag am Freitag verabschiedet hat. Damit würde die Finanzlücke auf zehn Milliarden erhöht und der Beitragssatz müsste auf 20,5 Prozent steigen. Schaich-Walch plädierte dafür, dass Eichel auf den Sparbeitrag verzichtet.

Das Kabinett will am Wochenende darüber entscheiden. Es soll auch weitere Pläne verabschieden, um die Rentenfinanzen zu sanieren. Im Gespräch ist eine Nullrunde für die Ruheständler, wodurch die Bezüge nicht Mitte nächsten Jahres, sondern erst Anfang 2005 angehoben würden. Außerdem will Schmidt die so genannte Schwankungsreserve verringern.

Auch Änderung der Rentenformel im Gespräch

Das ist ein milliardenschweres Finanzpolster, mit dem die Rentenversicherung kurzfristige Einnahmeverluste ausgleichen kann. Im Gespräch sind auch höhere Beiträge der Rentner zur Pflege- und Krankenversicherung sowie langfristige Vorhaben wie eine geänderte Rentenformel und der Renteneintritt mit 67 Jahren. Ein Sprecher Schmidts sagte, die Ministerin werde ein Konzept vorlegen, um das Defizit beherrschbar zu halten.

Die Opposition äußerte Kritik. Nach Ansicht des CDU-Sozialexperten Andreas Storm habe das Vorgehen der Koalition zur "größten Finanzkrise in der Geschichte der Rentenversicherung geführt". Unterdessen kündigte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) an, dass im Konzept seiner Partei der Rentenbeitrag bei 20 Prozent eingefroren werden soll. Außerdem sollen Versicherte einen Bonus erhalten, wenn sie Kinder aufziehen.

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