Rechtsextreme Parteien:"Bereit sein für den Aufstand Ost"

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Die rechtsextremen Parteien NPD und DVU haben es im Osten geschafft, als "ganz normal" betrachtet zu werden.

Von Annette Ramelsberger

Der Herr trägt Anzug und weißes Hemd mit Schlips. Und eine Krawattennadel dazu. Er sieht aus wie ein eiliger Geschäftsmann, das Handy stets am Ohr. Uwe Leichsenring, 37, ist Fahrlehrer im sächsischen Königstein.

Hier sitzt er seit Jahren im Stadtrat, hier hat er ein Wahlergebnis von 21 Prozent bei der Kommunalwahl im Mai eingefahren. Ein Fünftel aller Stimmen also für einen Vertreter der Rechtsextremisten, für den Mann der NPD, der aktivsten und gefährlichsten Rechtspartei im Land, wie Verfassungsschützer es sehen.

Leichsenring, der als Beruf "Unternehmer" angibt, hat sich in den Wochen vor der Wahl auf einen noch größeren Triumph eingestimmt: den Einzug in den Dresdener Landtag. Leichsenring kandidierte auf Platz 8 der Landesliste und bereitete sich - beflügelt von Umfragen, die der NPD bis zu neun Prozent in Sachsen vorhersagten - auf ein Leben als Berufspolitiker vor.

Leichsenring und die Truppe Gleichgesinnter um ihn herum haben es in den vergangenen Monaten geschafft, dass viele Sachsen die NPD nicht mehr als braune, extremistische Partei betrachten, die jenseits des politischen Anstands agiert.

Gesellschaftsfähig geworden

Die Nationaldemokraten sind gesellschaftsfähig geworden. Wenn Reporter im Wahlkampf durch Sachsen zogen, trafen sie auf brave Bürger, die empört waren, wenn die NPD als extremistisch bezeichnet wurde.

"Die NPD ist in Städten wie Königstein in der Mitte der Gesellschaft angekommen", urteilt der Leiter der Abteilung Rechts- und Linksextremismus beim sächsischen Verfassungsschutz, Olaf Vahrenhold. "Männer wie Leichsenring sind der Wolf im Schafspelz. Man sieht nur das verbindliche Auftreten, den netten Fahrlehrer."

Was dahinter steckt, sieht man nicht. Gerade Leichsenring aber ist mitunter recht direkt. Der Sächsischen Zeitung sagte er vor ein paar Jahren: "Natürlich sind wir verfassungsfeindlich. Wir wollen eine andere Gesellschaftsordnung."

Und er erklärte auch, wohin die Basisarbeit der NPD in Ostdeutschland führen soll: "Es geht darum, Strukturen aufzubauen, um bereit zu sein, wenn es mal zum Aufstand Ost kommt."

Der, hoffen die Rechtsextremen, könnte durch die Anti-Hartz-Demonstrationen, an denen die NPD regelmäßig teilnimmt, näher sein denn je.

Womöglich auch für den Aufstand Ost hält Leichsenring engen Kontakt zu den Mitgliedern der inzwischen verbotenen rechtsradikalen Schlägertruppe "Skinheads Sächsische Schweiz", die sich anspielungsreich "SSS" abkürzt.

Ihnen dankte Leichsenring vor der Wahl auch schon mal für "Ordnerdienste", welche sie für die NPD leisteten. Auch einer der besonders populären NPD-Funktionäre, der sächsische Klempner Michael Jacobi, hat engen Kontakt zur SSS: Seine beiden Söhne waren Mitglieder dort, bei einer Polizeirazzia wurden in seiner Garage zahlreiche Waffen sowie eine alte Panzerfaust gefunden. Seiner Beliebtheit tat das keinen Abbruch.

Die Bundes-NPD hat ihren Schwerpunkt nach Sachsen verlegt. Dort gibt sie ihr Parteiorgan, die Deutsche Stimme, heraus. Dort feiert sie Erfolge, die sie selbst überraschen.

So errang sie in Königstein im Mai drei Stadtratsmandate, konnte aber nur zwei besetzen - sie hatte nicht mehr Kandidaten aufgestellt.

Anders sieht es bei der DVU in Brandenburg aus. Dort saßen fünf Abgeordnete bereits seit 1999 im Landtag, aufgefallen waren sie nicht. Im Wahlkampf fielen sie auch nicht auf den Straßen auf; von allzu viel Bürgerbegegnung hielten die Herrschaften unter ihrer Chefin Liane Hesselbarth nichts.

Die DVU, die vielen Brandenburgern - wie die NPD in Sachsen - nicht als extremistisch gilt, erscheint als von München ferngesteuerte Truppe des Verlegers Gerhard Frey, der die National-Zeitung herausgibt.

© SZ vom 20.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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