Recep Tayyip Erdogan:Allergisch gegen Katzen und Karikaturen

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Wegen eines Gedichtszitats musste Recep Tayyip Erdogan vor fünf Jahren vier Monate lang ins Gefängnis. Als türkische Ministerpräsident kann er ätzende Kritik an seiner Person schwer ertragen, weswegen er satirische Zeichner vor den Kadi zerrt.

Von Christiane Schlötzer

Türkische Karikaturisten zählen international zu den besten ihrer Zunft. Im eigenen Land sind sie Helden mit spitzer Feder, weil sie auch zu Zeiten Mut bewiesen haben, als politische Kritik in den Kerker führen konnte. Nun ist die Türkei auf dem Weg in die EU, und sie hat in Tayyip Erdogan einen Premierminister, der vor fünf Jahren selbst - wegen eines Gedichtszitats - vier Monate lang Gefängnisluft atmen musste.

Titel der türkischen Satirezeitschrift Penguen (Foto: Foto: Penguen)

Als Regierungschef zog Erdogan daraus den Schluss: "Ich bin dagegen, Menschen wegen ihrer Meinung einzusperren." Persönlich kann der Premier aber ätzende Kritik an seiner Person schwer ertragen, weshalb er nun den geballten Spott der türkischen Karikaturisten auf sich gezogen hat. Erdogan hat zwei Zeichner vor Gericht gezerrt. Musa Kart, Karikaturist der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, hatte den Premier als Katze dargestellt, die sich in einem Wollknäuel verheddert, wie ein Politiker in seiner Rhetorik.

Knapp 3000 Euro Strafe verhängte ein Richter dafür. Aber türkische Gerichte sind nicht berechenbar. Die Katzen-Karikatur erschien auch in der Lokalzeitung der Provinz Sakarya - und dort sprach ein Richter den Zeichner frei. Mit lehrstückhafter Begründung: "Politiker sollten Kritik ebenso hinnehmen wie Applaus", sprach Richter Mithat Ali Kabaali und fügte hinzu: "Ein Premier, der wegen eines Gedichts eine Haftstrafe verbüßen musste, sollte gegenüber Kritik mehr Toleranz zeigen."

Seitdem jubilieren die Karikaturisten des Landes und zeichnen Erdogans Kopf auf Körper von Kamel, Kröte und Kuh. Alle großen Zeitungen berichten über die Solidarität der Zeichner-Elite mit dem angegriffenen Kollegen. "Katzenallianz gegen Erdogan", titelte dazu das Massenblatt Hürriyet.

"Hätte Erdogan die Katzen-Karikatur nicht selbst so berühmt gemacht, wäre sie längst vergessen", sagt Metin Üstündag, einer der prominentesten Cartoonisten des Landes und Mitherausgeber von Penguen, der auflagenstärksten Karikaturenzeitschrift der Türkei.

Beobachter vermuten, Erdogan sei über die gezeichnete Katze deshalb so empört gewesen, weil strenggläubige Muslime keine Haustiere mögen. Üstündag fällt dazu ein Hadith, eine Erzählung aus dem Leben des Propheten Mohammed, ein. Danach ruhte auf dem Mantel Mohammeds eine Katze. Als der Prophet aufbrechen wollte und die Katze sah, soll er seinen Mantel zurückgelassen haben, um sie nicht zu stören.

Vor der Katzen-Komödie hatte sich Erdogan schon über ein Portrait als Pferd aufgeregt. Diese Zeichnung war vor einiger Zeit in der linken Zeitung Evrensel erschienen. Auch hier klagte der Premier, und Karikaturist Sefer Selvi wurde bestraft.

Ansonsten ist Erdogan bislang von den Medien eher verwöhnt worden. Die Schonzeit aber scheint vorbei. "Das Problem ist, dass er sich daran gewöhnt hat, dass die Presse ihm applaudiert", schrieb das liberale Blatt Radikal. Ergun Babahan, Chefredakteur von Sabah, erinnerte den Premier an einen Ausspruch des Meisterkarikaturisten Tan Oral. Der hatte gesagt, das Nagelbett des indischen Fakirs verletzt nicht, weil alle Nägel gleich lang seien. "Ein Karikaturist aber ist wie ein Reissnagel, der unerwartet auf den Stuhl gelegt wird."

© SZ vom 4.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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