Reaktionen zur Pendlerpauschale:"Sieg der Gerechtigkeit"

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Peer Steinbrück und Roland Koch halten die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale für "falsch". In Bayern brüstet sich dagegen Ex-CSU-Chef Erwin Huber. Und die Kanzlerin bezeichnet das Urteil als "richtige Antwort auf die augenblickliche, schwierige wirtschaftliche Situation".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale das Geld rasch den betroffenen Bürgern zukommen lassen. "Ich unterstütze und halte es für absolut wichtig, dass wir das Geld angesichts der Wirtschaftslage jetzt den Menschen direkt zurückgeben", sagte Merkel am Rande der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau. Dies sei ein "Impuls auch für mehr Konsummöglichkeiten".

Mit Blick auf die vom Gericht erwirkte Rückkehr zur alten Pendlerpauschale sagte die Kanzlerin: "Das ist die richtige Antwort auf die augenblickliche, schwierige wirtschaftliche Situation."

Das Urteil selbst bewertete Merkel nicht. Sie sagte lediglich: "Wir haben die Entscheidung des Verfassungsgerichts zu respektieren."

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte zuvor in Berlin erklärt, er halte das Urteil der Karlsruher Richter für falsch.

Wie eine Neuregelung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 aussehen solle, werde die Bundesregierung "zur gegebenen Zeit" entscheiden, erklärte Steinbrück.

Steinbrück hofft auf Kaufimpuls

Angesichts der wirtschaftlichen Situation würde das Geld nicht an anderer Stelle eingespart. Nach dem Urteil haben die rund 15 Millionen Betroffenen zunächst Anspruch darauf, dass ihre Wegekosten von je 30 Cent pro Kilometer zum Arbeitsplatz rückwirkend steuermindernd berücksichtigt werden.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) schlugen vor, die Entscheidung des Gerichts zu nutzen, um einen konjunkturpolitischen Impuls zu setzen. "Wenn jetzt ohnehin Schulden für die Rückzahlung der Pendlerpauschale gemacht werden müssen, dann sollte die Auszahlung so schnell wie möglich erfolgen, nicht nur im Interesse der Pendler, sondern auch, um damit hoffentlich einen zusätzlichen Kaufimpuls geben zu können", erklärten die beiden.

Die Finanzämter sollten angewiesen werden, die von Amts wegen zu veranlassenden Rückzahlungen für das Jahr 2007 möglichst schon in den ersten drei Monaten des Jahres 2009 zu leisten.

Später Sieg für die CSU

CSU-Parteichef Horst Seehofer hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als "volle Bestätigung" für seine Partei begrüßt.

Die politische Forderung der CSU sei "eindrucksvoll juristisch bestätigt worden", sagte Seehofer. Es sei aber bedauerlich, dass die Bundesregierung in wichtigen Grundsatzfragen erst auf Gerichte warte, anstatt selbst zu gestalten und zu handeln.

Seehofer sprach von einem "guten Tag für Arbeitnehmer". Sie müssten jetzt "so schnell wie möglich" die ihnen zustehenden Beträge für 2007 und 2008 bekommen. Er lege großen Wert darauf, dass diese nicht durch Einsparungen an anderer Stelle geschmälert würden, sagte Seehofer.

Der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber reagierte erfreut auf das Urteil aus Karlsruhe. Er sprach von einem "Sieg der Gerechtigkeit". "Sieg, Sieg Hurra", jubelte er. "Es ist für mich ein glücklicher Tag, weil eine lange Reise ihr Ziel gefunden hat", sagte er zur Süddeutschen Zeitung.

Für die CSU sei das Urteil zur Pendlerpauschale "ein Erfolg auf ganzer Linie". Denn die bisherige Regelung, dass die Pendlerpauschale erst ab dem 21. Kilometer gelte sei ein "Akt der Willkür", so Huber.

"Es wäre für die Kanzlerin besser gewesen, mehr auf den Rat der CSU zu hören als auf den ihres Finanzministers", stichelte Huber in Richtung Merkel. Huber hatte im bayerischen Landtagswahlkampf die Debatte um die Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale angefacht. Allerdings war er damit auf die Kritik von CDU und SPD gestoßen.

Denn für die CDU, so Huber weiter, wäre es "ein Erfolg geworden, wenn man dieses Ergebnis mit der CSU umgesetzt hätte". So aber hätte man auf Karlsruhe setzen müssen. Der CDU fehle es "an Kompetenz in Sachen Steuerpolitik".

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos nannte die anstehenden Rückzahlungen als "ersten steuerlichen Konjunkturimpuls". Der CSU-Politiker fügte hinzu: "Die Nettoentlastung von 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2009 kommt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen schwierigen Zeiten gerade recht."

Auch Hans Michelbach, CSU-Bundestagsabgeordneter und Chef der Mittelstandsunion in Bayern begrüßt das Urteil. Er sagte zu sueddeutsche.de: "Wir müssen sofort zur alten Pendlerpauschale zurückkehren."

Michelbach warnte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), "jetzt keine Tricks anzuwenden, um die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale zu verhindern". Steinbrück hatte sich immer gegen die Rückkehr zur alten Regel ausgesprochen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nannte Michelbach einen "Offenbarungseid für die Politik", weil diese immer wieder Gesetze mache, die später von den Richtern in Karlsruhe kassiert würden.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte am Rande einer Landtagssitzung in Hannover: "Ich finde dieses Urteil durchaus erfreulich." Er halte es für sinnvoll, dass die neue Regelung noch im Dezember beschlossen werde. Er rechne damit, dass die Bundesregierung vorschlage, die Pendlerpauschale auf 25 Cent zu senken.

Viele Sozialdemokraten frohlocken

Frohlocken können jetzt auch viele Sozialdemokraten in den Ländern, die wegen der Pendlerpauschale bei Steinbrück bisher auf taube Ohren gestoßen sind. Ralf Stegner, Landes- und Fraktionschef der SPD in Schleswig-Holstein begrüßte die von ihm so erwartete Karlsruher Entscheidung, "dass die Ungleichbehandlung der verschiedenen Strecken kassiert wird".

Das sei eine "gute Botschaft für Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", sagte er zu seuddeutsche.de. Er äußerte die Hoffnung, dass sich mit der Wiedereinführung der alten Pauschale ein Konjunkturimpuls setzen lasse. "Es wird so wirken, wenn das Urteil schnell umgesetzt wird." Aber die Bundesregierung habe ja schon angedeutet, dass "da jetzt nicht rumgefackelt" wird.

Stegners Parteifreundin Hannelore Kraft, Landes- und Fraktionschefin in Nordrhein-Westfalen, ist da ganz auf seiner Linie. Sie will aber noch mehr. Aus ihrer Sicht weise die alte Regelung "grundsätzliche Mängel auf". Sie wirke sozial ungerecht, weil derjenige, der viel verdiene mehr bekomme als der mit kleinerem Einkommen.

Krafts Vorschlag: Statt einen Pauschalbetrag pro Kilometer steuerlich geltend machen zu können, soll von der tatsächlich zu zahlenden Steuer ein bestimmter Betrag pro Kilometer abgezogen werden. So erhielten "alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei gleichen Kosten gleiche steuerliche Vorteile".

"Grüne wollen Pauschale halbieren"

Zu den wenigen, die jetzt nicht komplett zur alten Regelung zurückwollen, gehören die Grünen. Bärbel Höhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, will zwar auch die Förderung ab dem ersten Kilometer, plädiert aber für eine deutliche Kürzung der Pauschale. "Wir orientieren uns an dem, was jetzt ausgeschüttet wird. Das würde ungefähr die Halbierung der momentanen Pauschale bedeuten, die steuerlich geltend gemacht werden könnte", sagte sie sueddeutsche.de.

Umweltverbände fordern dagegen seit Jahren die Abschaffung der Pauschale, die sie als Zersiedlungsprämie geißeln. Das Argument sei richtig, räumt auch Höhn ein. "Aber man kann den Leuten nicht über Jahrzehnte Prämien dafür zahlen, dass sie sich von einer falschen Siedlungspolitik locken lassen, und ihnen dann komplett die Leistung streichen", sagt sie. Es gebe da eine "soziale Verantwortung".

Allerdings profitieren derzeit nur mittlere bis hohe Einkommen von der Pauschale, weil Bezieher unterer Einkommen in der Regel gar keine Steuern zahlen. Höhn: "Mittelfristig müssen wir die Pendlerpauschale in der Tat auf den Prüfstand stellen, damit untere Einkommen mobil sein können." Das beginne etwa mit Sozialtickets für die, die sich ansonsten keine Busfahrt leisten könnten.

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel sieht in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale eine "Sternstunde deutscher Steuerpolitik". Das Bundesverfassungsgericht habe sich "wieder als Garant für die Einhaltung der Steuersystematik und der Steuergerechtigkeit bewährt", sagte Hickel.

Insbesondere sei die Entscheidung der höchsten Richter jedoch eine schwere Kritik am Bundesfinanzminister, der diese Neuregelung missionarisch propagiert habe. Die Abschaffung der Pendlerpauschale zugunsten des Werktorprinzips und vor allem auch die Ausnahme per Härtefallregelung seien nicht zulässig.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/AP/Stroh/kler/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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