Reaktionen auf Raucher-Urteil:"Licht am Ende des Tunnels"

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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rauchverbot polarisiert. Während die betroffenen Länder und die Kläger zufrieden sind, deutet die Zigarettenlobby den Richterspruch auf eine ganz eigene Art.

Die beiden Beschwerdeführer reagierten erleichtert auf das Urteil: "Ich sehe wieder Licht am Ende des Tunnels", sagte der Tübinger Pfauen-Wirt Uli Neu in Karlsruhe. "Meine Existenz ist gerettet." Er hoffe nun auf eine rasche Neuregelung.

Wirt Uli Neu freut sich über das BGV-Urteil (Foto: Foto: ddp)

Auch die Berliner Wirtin Sylvia Thimm zeigte sich erfreut, dass ihre Gäste vor Beginn der kühleren Saison wieder in der Kneipe rauchen dürften.

Das höchste Gericht hatte am Vormittag entschieden, dass die Regelungen für sogenannte Eckkneipen mit nur einem Gastraum verfassungswidrig sind. Das dort geltende Rauchverbot verletze die Berufsfreiheit der Gastwirte. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Ende 2009 dürfe in diesen Eckkneipen von sofort an wieder geraucht werden, wenn sie weniger als 75 Quadratmeter Fläche haben, dort keine Speisen serviert werden und unter 18-Jährige keinen Zutritt haben.

Die Drogenbeauftragte des Bundes, Sabine Bätzing, appellierte an die Länder, nun strikte Rauchverbote zu erlassen. "Es ist ein Urteil für den Nichtraucherschutz und gegen Ausnahmeregelungen", sagte sie in Karlsruhe. Das Gericht habe deutlich betont, dass ein absolutes Rauchverbot der richtige Weg wäre, um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Nun gelte es, die bestehenden Ausnahmen aus den Landesgesetzen zu streichen.

Auch Politiker aus Baden-Würrtemberg begrüßen das Urteil der obersten Richter. Doch über das weitere Vorgehen bestehe noch Unklarheit. "Wir fühlen uns bestätigt, müssen aber nacharbeiten", sagte die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU). Das Gericht habe die Wichtigkeit des Gesundheitsschutzes betont und die Möglichkeit eines absoluten Rauchverbots in Gaststätten bestätigt.

Die Ministerin machte deutlich, dass sie einer klaren Verbotslösung den Vorzug geben würde: "Je mehr Ausnahmen man macht, desto unklarer und bürokratischer wird ein Gesetz." Allerdings müsse die politische Diskussion der nächsten Monate zeigen, ob im Südwesten ein Gesetz mit den von Karlsruhe angemahnten Ausnahmeregelungen auch für "Eckkneipen" geschaffen werde.

"Das starre Beharren quasi in Luft aufgelöst"

Zustimmung zu dem Karslruher Urteil kommt auch aus der Bundeshauptstadt. Der Berliner Gesundheitsstaatssekretär Benjamin-Immanuel Hoff zeigte sich "sehr zufrieden" mit dem Urteil. Ob es in Berlin weiter Ausnahmen vom Rauchverbot geben werde, müsse die politische Diskussion zeigen.

Der Vorsitzende der Berliner CDU Ingo Schmitt erklärte, dass "das starre Beharren des Senats" sich mit dem heutigen Bundesverfassungsgerichtsurteil "quasi in Luft aufgelöst" habe. "Die Berliner Regelungswut muss nun umdenken und auch die Rechte der Kneipenwirte und rauchenden Gäste berücksichtigen", sagte er.

Schmitt wertete das Urteil als "ein Zeichen der Ausgewogenheit für die Gastronomen und ihre Gäste". Die Berliner Union habe sich schon frühzeitig auf die Seite der traditionellen Berliner Eck-Kneipen gestellt und in Ein-Raum-Gaststätten ein Wahlrecht pro oder contra Rauchen gefordert, betonte der CDU-Chef. Der rot-rote Senat müsse jetzt schnell handeln, um die entstandene Verunsicherung zu beseitigen.

Debatte weiter angeheizt

Der Berliner Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann hat als Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Nichtraucherschutzgesetzen ein generelles Rauchverbot in der Berliner Gastronomie gefordert. Mit seinem Urteil habe das Gericht den Nichtraucherschutz gestärkt, sagte Ratzmann.

Für die Übergangszeit bis zur geforderten Neuregelung der Landesgesetze am 31. Dezember 2009 könne man das Rauchen in Eckkneipen hinnehmen, sagte Ratzmann. Auch der Berliner Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fordert eine bundeseinheitliche Regelung. Die Dehoga habe die Klage unterstützt, weil das bisherige Gesetz einen klaren Nachteil für die Wirte der kleineren Kneipen beinhaltete, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas. Nun sei es am Gesetzgeber, Klarheit zu schaffen.

Das Land Berlin könne immer noch ein komplettes Rauchverbot aussprechen. Das wäre eine Reaktion, die die Wettbewerbsverzerrung zwischen kleinen Kneipen und Gaststätten mit Raucherräumen ebenfalls aufhebe. Allerdings schaffe das wiederum einen ungleichen Wettbewerb unter den Bundesländern, zum Beispiel im Vergleich zum benachbarten Brandenburg. Deshalb forderte Lengfelder eine bundeseinheitliche Regelung.

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Das Urteil der Karslruher Richter heizt nun auch die Debatten um den Nichtraucherschutz in anderen Bundesländern wieder an. Die Fraktion der Grünen im Freistaat beispielsweise ruft die Staatsregierung unter Ministerpräsident Günther Beckstein zum Handeln auf. Erst vor einigen Wochen hatte der Bayerische Landtag eine Ausnahmeregelung für Bierzelte beschlossen. "Die CSU muss die Ausnahmen für Bierzelte fallenlassen und auch das Hintertürchen der Raucherclubs endlich schließen", betonte Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause.

"Rechtsklarheit bei der praktischen Umsetzung"

Es sei nicht im Sinne eines Nichtraucherschutzgesetzes, dass immer mehr Raucherclubs entstünden und die Kommunen keine Handhabe besäßen, das Gesetz umzusetzen. Sie fügte hinzu: "Wenn die CSU die Ausnahmen für Bierzelte verlängert, wäre auch das bayerische Nichtraucherschutzgesetz nicht mehr verfassungskonform."

Die rheinland-pfälzische Landesregierung gibt sich indes noch zurückhalten und will im Tauziehen um das Rauchverbot in Eckkneipen noch das Urteil des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichts abwarten. Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) betonte allerdings, es sei zu erwarten, dass das Landesgericht zu einem vergleichbaren Ergebnis komme wie das Bundesverfassungsgericht. Danach sei der Gesetzgeber gefordert.

Der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof kündigte unterdessen an, er wolle am kommenden Montag über die Konsequenzen aus dem Karlsruher Urteil beraten. Das Koblenzer Gericht hatte im vergangenen Februar mit einer einstweiligen Anordnung das totale Rauchverbot in rheinland-pfälzischen Gaststätten vorerst gestoppt.

In Eckkneipen, die über nur einen Gastraum verfügen und vom Inhaber selbst geführt werden, darf seitdem weiter geraucht werden. Voraussetzung ist, dass der fragliche Betrieb ohne Angestellte auskommt und für jedermann sichtbar als Raucherlokal gekennzeichnet werde. Eine Entscheidung im Hauptsachverfahren steht noch aus.

Zustimmung hat das Urteil auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund ausgelöst. "Mit dem Urteil haben wir nun Rechtsklarheit bei der praktischen Umsetzung", erklärte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Das Gericht habe die rechtliche Reichweite der jeweiligen Gesetze beschrieben und so den zukünftigen Handlungsrahmen der kommunalen Ordnungsämter definiert.

"Die Länder haben ihre Unfähigkeit bewiesen"

Damit könne der Streit um den Nichtraucherschutz entschärft werden. Nun erst seien die Kommunen in der Lage, einen wirksamen Vollzug des Nichtraucherschutzes sicherzustellen. Die Länder seien aufgefordert, ihre Gesetze den Anforderungen des Gerichts anzupassen. Dies solle nicht erst nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Übergangsfristen, sondern unverzüglich und nach Möglichkeit abgestimmt geschehen, forderte Dedy.

Die Nichtraucherinitiative Pro Rauchfrei hat indes eine Bundesregelung gefordert. "Die Länder haben ihre Unfähigkeit bewiesen, nun muss die Bundespolitik beweisen, dass sie es ernst meint mit dem Nichtraucherschutz", teilte der Verein mit.

Auch der Deutsche Zigarettenverband (DZV), der die Zigarettenindustrie in Deutschland vertritt, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Rauchverbot begrüßt - allerdings sieht der Verband die Entscheidung des Gerichts als "Grundsatzurteil gegen die Ausgrenzung von Rauchern". Das Urteil stärke die Rechte der Gastwirte, berücksichtige sowohl die Interessen der Raucher als auch der Nichtraucher und schaffe damit "die Grundlage für ein respektvolles Miteinander", sagte der DZV-Vorsitzende Titus Wouda Kuipers.

Das Bundesverfassungsgericht habe der Politik deutliche Grenzen der Regulierungswut aufgezeigt. Von der Politik erwarte der Verband nun eine "marktgerechte Lösung für die Kleingastronomie".

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