Rätsel der Woche:Wie zählen die Behörden Flüchtlinge?

362 153 Asylanträge wurden in diesem Jahr gestellt, und es wird von mehr als 900 000 Flüchtlingen gesprochen. Wie viele Menschen tatsächlich in Deutschland Zuflucht gesucht haben, ist schwer zu sagen.

Von Jan Bielicki

Sie sind viele. Aber wie viele Menschen genau suchen gerade Zuflucht in Deutschland? Allerlei Zahlen schwirren umher, doch tatsächlich ist keine so präzise, wie es deutsche Ordnungsliebe gerne hätte. So stellte die Bundespolizei am Donnerstag 6561 Migranten fest, das war der niedrigste Tageswert im November. Seine Aussagekraft verliert sich jedoch, wenn man sieht, wer hier gezählt wird: "festgestellte Migranten" beim Kontakt mit der Bundespolizei - das kann bei der Einreise sein, aber auch bei der Ausreise, und es kommt durchaus vor, dass derselbe Ausländer mehrfach registriert wird. Die offiziellen Zahlen der Regierung orientieren sich darum am Easy-System des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Das notiert, wie viele Menschen sich in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Bundesländer als asylsuchend melden. Es waren 2015 bereits deutlich mehr als 900 000 Flüchtlinge. Auch diese Zahl, eigentlich nur erhoben, um die Asylsuchenden auf die Bundesländer zu verteilen, birgt Ungenauigkeiten. So werden bei der Easy-Registrierung keine genauen personenbezogenen Daten erfasst, und es dauert je nach Ort ein paar Tage bis Wochen, bis die Ankommenden registriert sind. Auch gibt es zahlreiche Doppelzählungen: Asylsuchende melden sich an einem Ort, ziehen weiter und melden sich anderswo noch mal an. Oder sie reisen wieder aus, etwa nach Skandinavien. Allerdings glauben die Bundesbehörden, dass sich Nicht-Gezählte und Zuviel-Gezählte im Easy-System in etwa die Waage halten, und diese Zahl die Lage im Land darum am genauesten spiegelt. Demgegenüber hinkt die Zahl der tatsächlich gestellten Asylanträge der Wirklichkeit weit hinterher. 362 153 waren das nur in den ersten zehn Monaten dieses Jahres. Grund dafür: Das Bamf ist so überlastet, dass Flüchtlinge oft monatelang warten müssen, bis sie ihren Asylantrag überhaupt abgeben dürfen.

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