Rätsel der Woche:Wie fremd sind sich Grüne und FDP?

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Berühr mich nicht, sprich nicht mit mir! Lass mich bloß in Ruhe! Die Liberalen wollen definitiv nicht in Baden-Württemberg mit den Grünen regieren. Ist das ein Reflex vergangener Zeiten?

Von Stefan Braun

Sie sind sich noch sehr fremd. Jedenfalls, wenn man die FDP in Baden-Württemberg anschaut, die ein Bündnis mit dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann schon vor dem ersten Gespräch abgelehnt hat. Das hatte viel von: Berühr mich nicht, sprich nicht mit mir! Lass mich bloß in Ruhe! Es erweckte den Eindruck, dass da jemand größte Angst hat, den Grünen auch nur in die Augen zu sehen. Dann lieber Opposition bleiben, ist weniger mühsam.

Wer sich das erklären will, muss die vergangenen fünf Jahre in Stuttgart ansehen und sich zugleich die über Jahrzehnte herrschenden politisch-kulturellen Unterschiede in Erinnerung rufen. Es waren fünf Jahre, in denen die FDP-Fraktion und ihr Vorsitzender Hans-Ulrich Rülke vor allem eines taten: Sie griffen Grün-Rot an. Rülke wollte nicht mit eigenen Ideen, sondern mit Attacken punkten. Die Folge: Er weiß, was er nicht will. Aber er kann kaum sagen, was er für die FDP durchsetzen möchte. Das macht Koalitionsverhandlungen fast unmöglich.

Die Fremdheit aber saß lange viel tiefer. Die Grünen agierten mit der Überzeugung, genau zu wissen, was der Staat alles regeln muss; sie glaubten, die Welt nur so besser zu machen. Die Liberalen verkörperten dazu den Gegenentwurf: Sie kämpften für Eigenverantwortung und wollten sich gerade von den Grünen auf keinen Fall bevormunden lassen.

Überraschend ist, dass sich daran nur langsam was ändert. Und das, obwohl die Grünen und die FDP bei der Wahl 2013 auf je eigene Weise ihren Absturz erlebten. Die Grünen als Besserwisser-Partei, die FDP als Partei der Unbeliebten. Der neue FDP-Chef Christian Lindner hat auch deshalb seinen Neuanfang mit Drei-Tage-Bart und offenem Hemdkragen begonnen. Er tat fast alles dafür, um weltoffen, liberal, tolerant zu erscheinen. Das frühe Nein von Stuttgart kommt deshalb überraschend. Es wirkt wie ein Reflex aus vergangenen Zeiten. Das sieht auch die Mehrheit der FDP-Wähler so. 54 Prozent sprechen sich dafür aus, offen zu sein für Bündnisse mit den Grünen. In Rheinland-Pfalz immerhin wollen sie das jetzt versuchen.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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