Rätsel der Woche:Warum kauft jemand noch Bundesanleihen?

Anleger zahlen sogar drauf, wenn sie Finanzminister Schäuble Geld leihen. Trotzdem sind die Papiere beliebt und werden auch aktuell nachgefragt - das hat gleich mehrere Gründe.

Von Markus Zydra

Die Deutschen haben Bundesanleihen immer gemocht. Seit den 1960er-Jahren repräsentierten die Schuldscheine zweierlei: Das glaubhafte Versprechen, dass man sein Geld vom deutschen Finanzminister zurückerhält, und die Aussicht, dass man mit einem ordentlichen Zins für sein Vertrauen belohnt wird. In dieser Woche ist nun etwas passiert, was in einer Marktwirtschaft eigentlich nicht passieren sollte: Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe sank unter null Prozent. Das bedeutet: Die Käufer dieser Bundesanleihen machen einen Verlust. Sie erhalten am Ende weniger Geld zurück als sie verliehen haben. Dennoch gehen die Bundesanleihen weiter gut weg. Die Investoren, so der Eindruck, reißen sich darum, Verluste zu machen.

Allerdings machen sie das nicht freiwillig. So müssen Banken in ihrer Bilanz viele sogenannte mündelsichere Wertpapiere haben. Das schreiben die Gesetze so vor. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Bank im Notfall durch den Wertpapierverkauf sehr schnell und sicher an Geld kommen kann. Bundesanleihen sind da erste Wahl. Auch viele Investmentfonds müssen einen Teil ihrer Gelder in sichere Anleihen stecken. Außerdem kauft die Europäische Zentralbank (EZB) viele Bundesanleihen. Das Kaufprogramm der Notenbank beläuft sich bis März 2017 auf 1,7 Billionen Euro. Ein hoher dreistelliger Milliardenbetrag fließt in deutsche Staatsschuldscheine. Die EZB nimmt mögliche Verluste billigend in Kauf. Ihr Ziel ist es, Geld ins europäische Finanzsystem zu pumpen. In diesen Tagen ist die Nachfrage nach Bundesanleihen noch besonders gestiegen, weil die Finanzmärkte einen Austritt Großbritanniens aus der EU befürchten. In Situationen großer politischer Unsicherheit suchen Geldprofis Sicherheit in deutschen Staatsanleihen. Den anfallenden Verlust verbuchen sie als Versicherungsprämie gegen Schlimmeres.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: