Rätsel der Woche:Warum ist es so schwer, Abdeslam zu fassen?

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Belgien scheitert dabei, Europas meistgesuchten Terroristen zu verhaften - weil es die Nachtruhe einhält.

Von Thomas Kirchner

Vielleicht liegt es mal wieder an Belgien. Die dortige Polizei war dem meistgesuchten Terroristen Europas, der mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Anschlägen von Paris beteiligt war, offenbar dicht auf den Fersen. Wie Justizminister Koen Geens in einem Interview bekannt machte, hätte eine Spezialeinheit den 26-Jährigen, der die Autos für die Attentäter besorgte, drei Tage später vermutlich beinahe in einem Haus im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst. Leider verbiete ein Gesetz Hausdurchsuchungen in der Zeit von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens; Ausnahmen sind Brände und die Verfolgung auf frischer Tat. Deshalb sei mit dem Zugriff gewartet worden, sagte Geens. Nicht einmal die Straßen wurden abgesperrt; man habe aber sichergestellt, dass der Gesuchte nicht fliehen konnte, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Einsatz startete am nächsten Tag dann erst um zehn Uhr früh. Kurz zuvor, so melden es belgische Medien, sei Abdeslam, möglicherweise versteckt in einem Umzugswagen, entkommen. Sollte es so gewesen sein, ist dies für das Image Belgiens ein weiterer Schlag. Die belgische Regierung hatte kurz nach den Anschlägen von Paris zwar angekündigt, nächtliche Wohnungsdurchsuchungen künftig auch in Terrorismusverfahren zu erlauben. Die Neuregelung tritt aber erst im Januar in Kraft. Im Parlament wurde Minister Geens heftig gescholten. In einem solchen Fall hätte er doch eine Ausnahme erwirken müssen, ereiferte sich ein Abgeordneter. Tatsächlich sieht auch die deutsche Strafprozessordnung ein nächtliches Wohnungsdurchsuchungsverbot vor, das im Winter sogar bis sechs Uhr morgens gilt. Die Ausnahmen sind ähnlich wie in Belgien. Allerdings gehört auch "Gefahr im Verzug" dazu, und dass Salah Abdeslam ein "gefährliches Individuum" ist, wie es auf einem Fahndungsplakat heißt, wird wohl kein Gericht bestreiten wollen.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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