Putin und der Streit ums Gas:"Ich handle nicht mit Gurken"

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Bei einem Treffen mit ausländischen Journalisten antwortet der russische Ministerpräsident Wladimir Putin geduldig auf alle Fragen - kocht aber innerlich vor Wut.

Sonja Zekri

Nach ungefähr einer Stunde muss Wladimir Putin natürlich auch dies loswerden: Dass er die Medien verfolgt habe, westeuropäische und nordamerikanische, und, "Sie müssen entschuldigen", nicht den Eindruck habe, dass diese die Situation "objektiv" beurteilen. Auch von diesem Treffen werden die Journalisten wohl nur nach "den Anweisungen Ihrer Vorgesetzten" berichten.

"Sie berichten nach den Anweisungen ihrer Vorgesetzten": Wladimir Putin misstraut den ausländischen Reportern. (Foto: Foto: Reuters)

Das ist einerseits kein neuer Gedanke für Russlands Ministerpräsidenten, für den das Konzept unabhängiger Presse jenseits der Vorstellungskraft liegt. Andererseits fragt man sich, warum er sich diese Mühe macht: Etwa dreißig ausländische Journalisten am Donnerstag in seine Residenz Nowo-Ogarjowo bei Moskau bringen lässt, um ihnen nach nur eineinhalb Stunden Wartezeit seine Haltung im Gasstreit zu erläutern.

Bereits am Mittwoch hatte Regierungssprecher Dmitrij Peskow zur Telefonkonferenz geladen, zudem berührt Gazprom-Vize Alexander Medwedjew auf seiner Reise zu Kunden und Politikern in Europa kaum noch den Boden. So viel Mitteilsamkeit ist nicht die Regel. Moskau ist besorgt.

"Ich handle nicht mit Gurken"

Im Konflikt mit Georgien hat der Kreml erlebt, dass man sich im Recht fühlen und den Medienkrieg doch verlieren kann, vor allem aber, dass die Not der russischen Nachbarn in der europäischen Öffentlichkeit mächtige Beistandsreflexe freisetzt.

Derzeit hat die Ukraine an der Zusammensetzung der Beobachter mal dies, mal das auszusetzen und spielt auf Zeit. Sie weiß, dass die europäische Solidarität endet, sobald das Gas wieder fließt, und dann muss sich Kiew mit Moskau allein über die Preise einigen. Europa habe sich zwar viel Zeit gelassen, sagte am Freitag ein hochrangiger ukrainischer Diplomat, aber endlich müsse es die Ukraine nicht mehr allein mit Russland aufnehmen. So ähnlich klang es im August auch in Tiflis.

Und Putin? Er gibt sich Mühe, er reißt sich zusammen, er antwortet eineinhalb Stunden lang geduldig, aber wenn man ihn aus nächster Nähe sieht, merkt man: Er kocht vor Wut. In den vergangenen Tagen haben ihm die Staatschefs frierender osteuropäischer Länder die Hölle heiß gemacht. Die Ukrainer demonstrieren, dass Russlands ganzer Ressourcen-Reichtum nichts wert ist, wenn Kiew ihn nicht transportiert - und geben sich dann noch als Opfer.

Aus Moskauer Sicht stellt sich die Frage von Macht und Ohnmacht ganz anders. Putin schafft es in drei Worten vom Scherz zur Drohung und zurück, das macht den Unterhaltungswert seiner Auftritte aus. Auch diesmal spottet er auf die Frage der Preisgestaltung, dies sei eine rein kommerzielle Frage, er selbst habe darauf keinen Einfluss: "Ich handle nicht mit Gas, nicht mit Gurken, nicht mit Bier, nicht mit Speck - gar nicht." Kurz danach aber tobt er gegen die "hochkorrupte" ukrainische Führung.

Russland liefere Gas zuverlässig selbst ins Baltikum und nach Georgien, obwohl man mit diesen Ländern weiß Gott politische Differenzen habe. Einzig die Ukraine - er schwenkt Papiere - verlange Unannehmbares, Preise nämlich, für die Russland draufzahlen müsste, weil es inzwischen das Gas für Kiew teuer in Zentralasien kauft.

Und warum Weißrussland immer noch niedrige Freundschaftspreise zahle? Nun, man betrachte Belarus als "verbündeten Staat", sagt der Ministerpräsident, außerdem habe Minsk Moskau 50 Prozent seiner Leitungen überlassen. So gut hätte es die Ukraine auch haben können. Aber das sagt er nicht.

© SZ vom 10.01.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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