Prozess in Rotterdam:Piraten wollen in den Niederlanden bleiben

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Sie stehen in Rotterdam vor Gericht - und sind so froh darüber, dass sie über einen Asylantrag nachdenken: Fünf mutmaßliche Piraten wollen nicht wieder zurück nach Somalia. Die Justiz steht vor einem Dilemma.

Dilemma für Hollands Justiz: Fünf mutmaßliche Piraten aus Somalia sind angeblich heilfroh, in den Niederlanden vor Gericht zu stehen und wollen das Königreich um Asyl bitten.

Sie abzuschieben sei fast unmöglich und mit Nachahmern sei zu rechnen, erklärten Rechtsexperten zu Beginn des ersten Prozesses in den Niederlanden um das Piratenunwesen vor Somalia. "Das ist ein gutes Leben hier", sagte einer der Angeklagten der Zeitung de Volkskrant zu seiner Untersuchungshaft.

Der 38-Jährige Sayid wolle die erwartete Gefängnisstrafe nutzen, um eine berufliche Ausbildung zu machen. "Ich werde die Behörden bitten, mich nicht wieder nach Somalia zurückzuschicken. Hier werden die Menschenrechte respektiert, ich will hierbleiben." Laut Medienberichten sollen auch Sayids Mitangeklagte ähnliche Absichten bekundet haben. Die Somalier im Alter von 24 bis 44 Jahren müssen sich vor einem Gericht in Rotterdam verantworten.

Sie sollen versucht haben, am 2. Januar im Golf von Aden das türkische Handelsschiff Samanyolu zu kapern. Dessen Besatzung wehrte die Attacke ab und schoss das Schnellboot der Angreifer mit Leuchtkugeln in Brand. Dänische Marinesoldaten fischten die Somalier aus dem Wasser. Sie wurden an die Niederlande übergeben, weil das angegriffene Schiff unter der Flagge der Niederländischen Antillen fuhr.

Die Angeklagten kämen aus äußerst ärmlichen Verhältnissen und teils aus Gegenden, in denen Islamisten die Scharia zum Gesetz erhoben hätten, sagte Rechtsanwalt Willem-Jan Ausma. Sein Mandant Sayid habe ihm erfreut berichtet, dass er im Gefängnis gut zu essen bekomme und gemeinsam mit den anderen Angeklagten Fußball spielen und Fernsehsendungen anschauen könne. "Und dass es in seiner Zelle sogar ein WC gibt, findet er fantastisch."

Derartige Verfahren gegen mutmaßliche Piraten könnten notleidende Menschen in Somalia auf den Gedanken bringen, sich zielgerichtet als Seeräuber festnehmen zu lassen, um auf diese Weise in den Westen zu gelangen, sagte der Dozent für internationales Strafrecht, Geert-Jan Knoops, der Zeitung Algemeen Dagblad. "Nach Verbüßung ihrer Strafe können sie vermutlich nicht abgeschoben werden, weil die Situation in Somalia als zu unsicher gilt."

Laut de Volkskraant will die Verteidigung in dem mehrwöchigen Verfahren unter anderem darlegen, dass sich die Somalier nur angesichts der bedrückenden Not in ihrem Land zur Piraterie verleiten ließen. "Früher war ich Fischer, aber das Meer ist leergefischt und ich konnte nichts mehr verdienen", habe der 24-jährige Farah zu Protokoll gegeben.

Der 44-jährige Jama berichtete, von seinen 16 Kindern seien elf gestorben. Und der 31-jährige Osman erklärte: "Ich weiß, dass das strafbar ist, aber wenn du Hunger hast, keine Arbeit und kein Essen, und wenn schon so lange Krieg herrscht in deinem Land, dann gehst du das Risiko ein, falsche Sachen zu machen." Rechtsanwalt Ausma soll seinen Mandaten erklärt haben, dass sie sich auf eine "etwa vierjährige Gefängnisstrafe einstellen müssten".

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