Prozess in Dresden:Terroristen statt Lausbuben

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Bundesanwaltschaft fordert hohe Haftstrafen für Mitglieder der "Gruppe Freital" und warnt davor, die Taten zu verharmlosen.

Von Antonie Rietzschel, Dresden

Timo S. ist ein unauffälliger Mann: Im schwarzen Anzug sitzt er im Gerichtssaal, die Haare kurz, auf der Nase eine randlose Brille. Noch vor drei Jahren arbeitete S. als Busfahrer in der sächsischen Kleinstadt Freital. Dann kamen Flüchtlinge - und er soll Sprengsätze gelegt haben. Laut Bundesanwaltschaft gehörte S. zur "Gruppe Freital", deren Mitglieder 2015 mehrere Anschläge auf Flüchtlinge und politisch Andersdenkende begangen haben sollen. Nach mehr als 60 Verhandlungstagen sieht die Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft der acht Angeklagten in einer terroristischen Vereinigung als erwiesen an und hält Timo S. für einen der Rädelsführer der Gruppe. Den Angeklagten wird versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion vorgeworfen. Die Bundesanwaltschaft fordert für die beiden mutmaßlichen Anführer elf und zehn Jahre Haft, für die übrigen Angeklagten Strafen zwischen fünf und neuneinhalb Jahren.

Die Angeklagten zündeten drei Sprengsätze an den Fenstern einer Asylunterkunft

Im Laufe des Prozesses hatten Freitaler Bewohner die Taten der Gruppe als "Lausbubenstreiche" heruntergespielt. Man müsse das jetzt nicht überbewerten, sagte sogar der Freitaler Oberbürgermeister. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Jörn Hauschild, wehrt sich zu Beginn seines Plädoyers gegen die Verharmlosung der Taten. "Die Chatprotokolle der Gruppe Freital zeigen eindeutig, wie gefährlich die Gruppierung ist." Hauschild beschreibt die Angeklagten als Mitglieder einer klar strukturierten Gruppe, die auf Demonstrationen gegen ein Flüchtlingsheim im Frühjahr 2015 zusammenfand. "Weil den Angeklagten die Kundgebungen nicht reichten, beschlossen sie, zum Mittel der Gewalt zu greifen", so Hauschild. Motor der Gruppe sei eine durchweg rechtsextreme Gesinnung gewesen, ihr Ziel: Angst verbreiten. Dies sei ihnen auch gelungen. 2015 sollen die Angeklagten das Auto des Linken-Stadtrats Michael Richter gesprengt haben; zu ihren Zielen gehörten laut Anklage auch zwei Flüchtlingsunterkünfte, ein alternatives Wohnprojekt in Dresden und ein Büro der Linkspartei. Für drei Sprengsätze an Fenstern einer Asylunterkunft sollen sie ebenfalls verantwortlich sein, ein Bewohner wurde verletzt. Die Bundesanwaltschaft hält den Angriff für lange geplant. Die Gruppe habe den Tod von Menschen in Kauf genommen. Ein Urteil wird für Februar erwartet.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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