Prozess gegen Polizisten:Milde Strafe in Genua

Lesezeit: 2 min

Mehr als sieben Jahre nach dem G-8-Gipfel in Genua hat ein Gericht 13 Polizisten verurteilt: Sie haben damals bei einer Razzia auf schlafende Globalisierungsgegner eingeprügelt.

Stefan Ulrich

Mehr als sieben Jahre nach dem G-8-Gipfel von Genua hat ein Gericht in der italienischen Hafenstadt am Donnerstagabend 13 Polizisten wegen Übergriffen auf Demonstranten zu insgesamt 35 Jahren Haft verurteilt. Nach Überzeugung der Richter prügelten die Beamten bei einer Razzia in einer Schule in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli 2001 auf die dort schlafenden Globalisierungsgegner ein.

Mit großer Brutailtät gingen italienische Polizisten 2001 gegen die Globalisierungsgegner in Genua vor. (Foto: Foto: dpa)

Einige der Verurteilten sollen zudem Beweismittel gefälscht haben. Weitere 16 Angeklagte, darunter die Mitglieder der Polizeiführung, wurden freigesprochen. Auch von den Verurteilten wird wohl allenfalls einer, sofern er nicht in Berufung geht, seine Strafe absitzen müssen. Die anderen dürften wegen Verjährung und einer Amnestie straflos bleiben. Die Staatsanwaltschaft hatte 108 Jahre Haft für 28 Angeklagte gefordert.

Beim G-8-Gipfel in Genua war es am Rande friedlicher Massendemonstrationen zu Ausschreitungen einiger tausend gewalttätiger Protestierer gekommen, die ganze Straßenzüge verwüsteten, Autos anzündeten und versuchten, mit Gewalt in die Verbotszone um den Tagungsort einzudringen. Die Polizei unter der Aufsicht einer damals neu angetretenen Regierung Berlusconi war offenbar überfordert.

Globalisierungskräfte warfen den Behörden vor, sie hätten die Gewalttäter gewähren lassen, um später umso härter vorgehen zu können. Jedenfalls drangen in der Nacht Polizeieinheiten in eine Schule ein, die Genua den Demonstranten als Übernachtungslager zur Verfügung gestellt hatte. Die Beamten verletzten Dutzende junge Leute zum Teil schwer und nahmen 93 fest. Sie wurden alle später freigelassen, weil ihnen nichts nachgewiesen werden konnte.

Die Polizei rechtfertigte sich nach der Razzia, sie sei aus der Schule mit Steinen beworfen worden, was die Demonstranten bestritten. Zudem behaupteten die Einsatzkräfte, sie hätten in dem Nachtquartier zwei Molotowcocktails gefunden. Wie sich in dem Prozess herausstellte, wurden die Sprengkörper jedoch von Polizisten in die Schule geschmuggelt, um sie den Demonstranten unterzuschieben. Während der Ermittlungen verstrickten sich etliche angeklagte Beamte in Widersprüche.

Ein Polizeioffizier bekannte schließlich: "Es war ein blindwütiger Einsatz. Das, was ich sah, erinnerte an ein Schlachthaus." So hätten Beamte auf wehrlos am Boden liegende Menschen eingeschlagen. Bei solchen Einsätzen komme es ja manchmal zu Exzessen. Aber in der Schule sei "etwas passiert, das darüber hinausging".

Viele der in der Schule festgenommenen Demonstranten wurden tagelang in einer Polizeikaserne eingesperrt und misshandelt, mit Vergewaltigung bedroht und verhöhnt. Wegen dieser Übergriffe wurden im Juli 14 Polizisten und Gefängniswärter sowie ein Arzt zu relativ niedrigen Gefängnisstrafen verurteilt. Von ihnen wird wegen Verjährung und der Amnestie wohl keiner seine Haft verbüßen müssen.

Marta Vincenzi, die Bürgermeisterin von Genua, sagte vor der Entscheidungsverkündung am Donnerstag: "Ich hoffe, dass sich mit diesem Urteil eine Wunde schließt, die sieben Jahre lang offen geblieben ist." Doch das ist mehr als fraglich. Manche Zuhörer im Gerichtssaal quittierten das Urteil jedenfalls mit den Rufen: "Schande, Schande."

© SZ vom 14.11.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: