Projekt Zeitungszeugen:"NS-Hetzpresse verhindern"

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Verleger gegen Bayern: Das Projekt Zeitungszeugen will NS-Blätter nachdrucken, der bayerische Freistaat geht gerichtlich dagegen vor.

Franziska von Kempis

Die Österreicher tun sich mit dem Thema Nationalsozialismus anscheinend leichter als die Deutschen - zumindest, wenn man das bayerische Finanzministerium als Maßstab nimmt.

In Bayern umstritten: das Projekt "Zeitungszeugen". (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Was in Österreich nicht beanstandet wurde, soll in Deutschland nun verhindert werden: Der Nachdruck nationalsozialistischer Tageszeitungen in einem populärwissenschaftlich aufbereiteten Zeitungsprojekt soll verboten werden.

Das bayerische Ministerium wird gerichtliche Schritte gegen das Projekt Zeitungszeugen einleiten. Noch am Donnerstag werde ein Strafantrag gestellt, heißt es in einer Pressemitteilung des Finanzministeriums. Unter anderem werde es um die "Verletzung urheberrechtlicher Vorschriften" gehen.

Protest des bayerischen Staates

Schon seit einigen Wochen schlagen sich die Macher des Projekts Zeitungszeugen mit den ihrer Meinung nach engstirnigen Beamten des bayerischen Finanzministeriums herum. Zeitungszeugen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Zeitungausgaben aus der NS-Zeit im Original nachzudrucken und einem historisch interessierten Publikum nahezubringen.

In jeder Ausgabe von Zeitungszeugen kommentieren renommierte Historiker wie Hans Mommsen oder Gerhard Botz die Inhalte und Aufmacher der beigelegten Tageszeitungs-Nachdrucke und setzen sie in einen historischen Kontext.

Der jüngsten Ausgabe von Zeitungszeugen liegt ein Nachdruck der nationalsozialistischen Tageszeitung Völkischer Beobachter bei. Das Urheberrecht für dieses Blatt liegt - wie das der meisten nationalsozialistischen Zeitungen oder auch Hitlers "Mein Kampf" - seit Ende des Zweiten Weltkrieges beim bayerischen Staat. Der will jetzt zivilrechtlich gegen den Zeitungszeugen-Verlag Albertas vorgehen, um, wie es heißt, weitere Nachdrucke der "NS-Hetzpresse zu verhindern". Bayern lehnt es deshalb fast obligatorisch ab, Nachdrucke solcher Publikationen zuzulassen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Zeitungszeugen keine wirkliche Neuerscheinung ist und warum ein Rechtsstreit dem britischen Verleger nicht ungelegen kommt.

Derartige Probleme hat der Verlag bisher nur in Deutschland: Ableger von Zeitungszeugen erscheinen auch in Spanien, den Niederlanden und Österreich. Die Publikationen werden vom britischen Verlag Albertas herausgegeben, der sich damit europaweit einen Namen gemacht hat.

Die erste Ausgabe konnte es nur geben, weil die Macher sich mit ihrer Idee nicht vorab an das bayerische Finanzministerium gewandt haben. "Wir haben damals bewusst nicht nachgefragt", sagte Chefredakteurin Sandra Paweronschitz. Denn die Reaktion der Bayern sei vorhersehbar gewesen.

Darauf hat das bayerische Finanzministerium jetzt reagiert. Die Veranwortlichen müssten "vorab mit dem Freistaat Bayern als Rechteinhaber" in Kontakt treten, ließ das Ministerium verlautbaren. Dies habe " Zeitungszeugen" nicht getan.

Dabei hat der Verlag die Zeitung schon mehrfach erfolgreich herausgebracht, unter anderem in Österreich.

Absurde Vorgehensweise

Im Nachbarland erschienen die Zeitungszeugen unter dem Namen NachRichten - vom Konzept bis zur Gestaltung sind die beiden Ausgaben kaum zu unterscheiden. Auch hier wurde das Finanzministerium nicht vorab informiert, nur schien das kein Problem zu sein. "Von dieser Seite gab es damals überhaupt keine Reaktion", erzählt Chefredakteurin Paweronschitz.

Historiker Mommsen, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von " Zeitungszeugen", hält die bayerische Vorgehensweise für "geradezu absurd". Das Ministerium torpediere ein "wirklich schönes Projekt", dass eine spannende, neue Perspektive für die Alltagsgeschichte der NS-Zeit aufdecke.

Die Staatsdiener könnten dem britischen Verleger Peter McGee mit dem bevorstehenden Rechtsstreit fast sogar einen Gefallen tun. Er hofft regelrecht auf die Chance, die Angelegenheit gerichtlich regeln zu können. Auf der Zeitungszeugen-Homepage stellte er keck in Frage, ob die Urheberrechte überhaupt noch im Besitz der Bayerischen Staatsregierung seien: "Wir werden das gerichtlich klären lassen."

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