Presseschau:Keine Panik

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(Foto: sz)

Chinas Wirtschaft wächst langsamer, aber die Presse beschwichtigt: Man ist ja immer noch Weltspitze.

Ausgewählt von Kai Strittmatter

"Kein Grund zur Panik" - die Botschaft sucht die chinesische Presse - in diesem Falle das Parteiblatt Volkszeitung - dieser Tage unters Volk zu bringen. Chinas Wirtschaft wächst auf einmal langsamer, im ersten Quartal diesen Jahres nur noch um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr, der Export brach unerwartet ein. Kein Wunder, dass Chinesen die Luft anhalten.

Doch was heißt schon "nur noch", fragen nun Chinas Zeitungen und erinnern daran, dass sieben Prozent noch immer Weltspitze sind. Doch wenn nun der Internationale Währungsfonds damit rechnet, dass Indien China beim Wachstum bald überholen könnte, dann bedeutet das doch, dass eine neue Zeit begonnen hat. "30 Jahre wuchs Chinas Wirtschaft rasant, oft zweistellig, für viele Menschen waren diese Zahlen der einzige Indikator für die Entwicklung Chinas", schreibt die Nachrichtenagentur Xinhua in einem Kommentar, den viele Zeitungen druckten. Diese Zeiten seien vorbei: In Zukunft seien Faktoren wie "Qualität und Effizienz" aber auch "Reform und Innovation" wichtiger als "Ausmaß und Geschwindigkeit" des Wachstums. Das sei, ergänzen alle Zeitungen unisono, die "neue Normalität" - ein Schlagwort, das Partei- und Staatschef Xi Jinping prägte.

Dies sei nicht nur kein Grund zur Furcht, sondern eine "bessere Normalität" ( China Daily), ja eine "objektive Notwendigkeit" ( Guangming- Zeitung), ein Schritt zu nachhaltigerem Wirtschaften. "Wir erleben hier den Sprung vom quantitativen Wachstum zum qualitativen", schreibt im Intellektuellenblatt Guangming der Ökonom Hu Angang. Hu erinnert an den Zoll, den das unkontrollierte Wachstum der vergangenen Jahre forderte, an die Verseuchung von Luft, Äckern und Wasser. "Die Struktur unserer Industrie wird sich ändern", schreibt er. "Dem Volk liegt heute mehr am Umweltschutz, an medizinischer Versorgung, Bildung und einem sozialen Netz", meint auch die Volkszeitung. Dieser Strukturwandel mache langsameres Wachstum unausweichlich. Wenn aber gleichzeitig der private Konsum weiterhin überdurchschnittlich wachse, dann mache das deutlich: "Chinas Bürger glauben an die Zukunft".

Nun betrachtet Chinas Kommunistische Partei sämtliche Medien im Land als ihre Sprachrohre. Propaganda sticht Kritik, der Lobpreis auf die weise Führung der Partei fehlt selten. In diesem Falle aber decken sich viele der Argumente mit jenen ausländischer Beobachter, die ebenfalls eine Neuausrichtung des chinesischen Modells für nötig halten. Und Chinas respektierteste Wirtschaftsjournalistin, Hu Shuli, Chefredakteurin des Magazins Caixin, saugt aus der Entwicklung gar erstaunlichen Optimismus: "Im Jahrzehnt des verrückten Wachstums war die Erhaltung politischer Stabilität die höchste Priorität Chinas", schrieb sie im März. Nun aber konzentriere sich die Führung auf wirtschaftliche Stabilität, das schaffe im Gegenzug "die Gelegenheit für politische Durchbrüche": "Der Versuch, eine effizientere und sauberere Regierung zu schaffen, wird das Verhältnis des Staates zur Gesellschaft und zum Markt neu definieren. China steht erst am Anfang seiner Reise", glaubt Hu. Mit ihrer Hoffnung auf politischen Wandel steht sie allerdings im Moment ziemlich allein.

Nervosität scheint dagegen auch in der Staatspresse durch. Xinhua erinnert an die gewaltigen Risiken für die Wirtschaft, vom Immobilienmarkt über faule Kredite, bis zur Verschuldung der Kommunen. Und die Volkszeitung warnt, das niedrigere Wachstum werde "eine Prüfung für Chinas Gesellschaft": "Ebenso wichtig wie ökonomischer Sachverstand ist die Überwindung des Pessimismus."

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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