Präsidentenwahl in Frankreich:Techtelmechtel zwischen Politikern und Journalisten

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Seit diesem Montag herrscht in Frankreich totale Gleichberechtigung im öffentlich-rechtlichen französischen Fernsehen: Jeder der zwölf Präsidentschaftskandidaten erhält exakt die gleiche Redezeit. Für viele Beobachter ist das aber nur Fassade.

Johannes Honsell

Es herrscht égalité oblige in Frankreich, totale Gleichberechtigung - zumindest im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Jeder der zwölf Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen in knapp zwei Wochen erhält exakt die gleiche Redezeit und gleich viele Werbespots, ob er nun wie Frédéric Nihous für die Fischer und Jäger des Landes antritt oder wie Nicolas Sarkozy für die mächtigste Partei der Republik. Sogar die Reihenfolge der Spots wird mit dem Los ermittelt.

Für viele Beobachter ist das nur Fassade. Denn in wenigen europäischen Ländern sind Medien und Politiker so eng miteinander verflochten wie in Frankreich. "Viele Kandidaten haben direkte Beziehungen zu den Chefs der großen Medienhäuser. Die Distanz der politischen Journalisten zu den Politikern ist viel geringer als in Deutschland oder England", sagt Dominique Marchetti, Mediensoziologe am renommierten Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS).

Das trifft vor allem auf den Kandidaten der konservativen UMP Nicolas Sarkozy zu, den momentan aussichtsreichsten Anwärter auf die Präsidentschaft. Zu Sarkozys engen Freunden zählen Martin Bouygues, dem Frankreichs größter Fernsehsender TF1 gehört, Arnaud Lagardère (Verlagshaus Hachette) und Edouard de Rothschild (Libération). Sarkozy scheut sich nicht, seine guten Kontakte auch einzusetzen. Als die Zeitschrift Paris Match 2005 Fotos von seiner Frau mit ihrem damaligem Geliebten druckte, musste der Chefdirektor gehen - auf Druck von Lagardère.

Sarkozys gute Kontakte führten bei vielen Journalisten zu Beißhemmungen, vermutet Marchetti. "Wenn andere Kandidaten Dinge so sagen würden wie manchmal Sarkozy, hätten viele Medien ihnen das vielleicht nicht so einfach durchgehen lassen", sagt der Soziologe.

Besorgniserregendes Misstrauen

Was passieren kann, wenn man Nicolas Sarkozy verärgert, erlebten vor kurzem die Redakteure des zweitgrößten öffentlich-rechtlichen Senders France 3. Nach Informationen des Satiremagazins Le canard enchaîné ereiferte sich Sarkozy vor einer Sendung darüber, dass man ihn warten ließ und drohte, die gesamte Direktion zu entlassen, wenn er Präsident würde. Die Moderatorin der Sendung, Christine Ockrent, konnte ihn nur mit Mühe beruhigen.

Ein paar Tage später attackierte er in einer Lokalsendung des gleichen Senders die Redaktion, politischen Journalismus gegen ihn zu betreiben. Die Journalistengewerkschaft des Senders sah sich genötigt, in einem Communiqué ihre Objektivität zu betonen. Es sei besorgniserregend, dass Sarkozy ungeniert ein solches Misstrauen gegenüber der Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Sender äußern könne.

Die sozialistische Kandidatin Segolène Royal ist nicht ganz so gut vernetzt wie ihr konservativer Kontrahent, doch werden ihr gute Kontakte in die Redaktionen der überregionalen Tageszeitungen Libération und Le Monde nachgesagt.

Die anderen Präsidentschaftsanwärter fühlen sich im Nachteil. Vor allem Zentrumskandidat Francois Bayrou, der in den Umfragen zur Zeit an dritter Stelle liegt, beklagt sich immer wieder über einseitige Berichterstattung zugunsten der zwei Hauptkontrahenten.

Der CSA, eine Art staatliches Medienkontrollorgan, sah in einer Studie hingegen die Gerechtigkeit gewahrt. Gemessen an der Zeit, in der die sechs großen nationalen Fernsehsender über die Präsidentschaftkandidaten insgesamt berichten, hätten Sarkozy und Royal bis zum vergangenen Wochenende zusammen 46 Prozent der Sendezeit und 41 Prozent der Redezeit gehabt.

Die großen Medienhäuser bemühen sich derweil, dem Vorwurf mangelnder Objektivität entgegen zu treten. Zwei Nachrichtenmoderatorinnen mussten für die Zeit des Wahlkampfs den Bildschirm räumen: Béatrice Schoenberg (France 2), weil sie mit Sozialminister Jean-Louis Borloo verheiratet ist, und Marie Drucker (France 3), wegen ihrer Liaision mit dem nachmaligem Minister für die Überseedepartements und Sarkozys Nachfolger als Chef des Innenressorts, François Baroin.

Der angesehene politische Kommentator Alain Duhamel darf zur Zeit keinen Dienst bei France 2 und dem Radiosender RTL machen, weil er sich privat für Francois Bayrou ausgesprochen hatte. "Heuchelei" ereifern sich darob viele Journalisten. "Die Leute haben genug von solchen Maskeraden vorgeblicher Neutralität, hinter der sich eine Ideologie versteckt", wetterte Eric Zemmour vom Figaro. Als "idiotisch" bezeichnete Christophe Barbier vom Magazin L'Express die Aktion. "Andere hätten dann längst gehen müssen."

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