Präsidentenwahl in Frankreich:Stars in der Polit-Manege

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Yannick Noah, Emanuelle Béart oder Jean Reno: Wie französische Stars beim Präsidentschaftswahlkampf mitmischen - und wie Royal und Sarkozy aus ihren Promi-Netzwerken politisches Kapital schlagen wollen.

Johannes Honsell, Paris

Das hitzige TV-Duell zwischen Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal war gerade vorbei, da trafen sich beim Fernsehsender France 3 Judo-Legende David Douillet und die Arthouse-Schauspielerin Jeanne Balibar zur Analyse.

"Sarkozy war der klare Gewinner", sagte Douillet. Balibar sah Ségolène "klar vorne". Sonst sagten sie nicht viel. Der Moderator blickte etwas ratlos zwischen ihnen hin und her, als wolle er sagen: "Was macht ihr eigentlich hier?"

Diese Frage stellen sich die Franzosen in letzter Zeit häufiger, so omnipräsent ist die Show- und Kulturprominenz in den letzten Tagen vor der Wahl. Ségolène Royal mietete für ihre Abschlussveranstaltung ein ganzes Stadion, Popkonzert mit beliebten Stars wie Benabar, Ex-Tennis-Ikone Yannick Noah und Schauspielerin Emmanuelle Béart inklusive.

Sarkozy ließ sich bei seiner letzten Pariser Kundgebung nicht nur von 20.000 Anhängern, sondern auch von einer "ganzen Galerie voll Berühmtheiten" feiern, wie die linke Tageszeitung Libération spöttelte. Auf der Bühne dichtete der greise Chansonnier Henri Salvador: "Frankreich ist ein Edelstein, den wir dir am 6. Mai schenken, denn nur du vermagst ihn zum Glänzen zu bringen", unten klatschten Asterix-Darsteller Christian Clavier und Rock-Veteran Johnny Hallyday im Takt.

Vor allem auf der Rechten sei soviel Prominenz neu, sagt Véronique Le Bris, Kulturjournalistin für das Magazin Nouvel Observateur. "Bei der Linken gibt es das schon länger, vor allem seit Mitterrand. Aber die Rechte hatte bislang offenbar keinen Kandidaten, den die Stars gerne unterstützen wollten."

"Ein Ehrenmann"

Diese Person scheint mit Nicolas Sarkozy gefunden. Der Schauspieler Jean Reno ("Léon - der Profi", "Godzilla") spricht auf dessen Website die Wahlkampfbotschaften für Sehschwache. Johnny Hallyday ist für Sarkozy gar in dessen Partei UMP eingetreten. "Ich unterstütze ihn, weil er ein Ehrenmann ist, der seine Versprechen halten wird", verkündete der Rocker, brachte sein Idol allerdings in Schwierigkeiten, als er ankündigte, aus Steuergründen in die Schweiz ziehen zu wollen.

Als Bürgermeister des Reichen-Vororts Neuilly-sur-Seine hat Sarkozy gute Kontakte zu den Größen aus Medien und Showbusiness aufgebaut. Arnaud Lagardère (Chef des Verlagshauses Hachette) und Martin Bouygues (Eigentümer des Privatsenders TF1) zählen zu seinen engen Freunden, bei Jean Renos Hochzeit war er Trauzeuge.

Auch Gérard Depardieu und Alain Delon gehören zu seinen Bekannten. "Sarkozy hat seine persönlichen Netzwerke gut genutzt, und seine PR-Leute haben gute Arbeit geleistet", sagt Cyril Lemieux, Mediensoziologe an der renommierten Pariser Hochschule für Sozialstudien (EHESS).

Ségolène Royal muss ihre Netzwerke nicht aktivieren, auf der Linken kommen Intellektuelle und Stars von alleine. "Für Ségolène Royal, gegen Nicolas Sarkozy" überschrieben etwa hundert Künstler, Schriftsteller und Gelehrte zu Beginn der Woche einen Aufruf in Libération, unter ihnen die Schauspieler Jean-Pierre Bacri und Jeanne Moreau, die Regisseure Constantin Costa-Gavras und François Ozon und die Historiker Pierre Azéma und Benjamin Stora. Der Fußballer Lilian Thuram ritt in derselben Ausgabe in einem Interview scharfe Attacken gegen Sarkozy: "Er erweckt den latenten Rassismus der Leute."

Junge Stars wie Thuram, der Komiker Jamel Debbouze oder die Rapperin Diam's, die aus armen Verhältnissen aufgestiegen sind, schlagen sich eher auf die Seite Royals. Namentlich im Pop- und Rapmilieu ist Sarkozy verhasst, seit er während der Banlieue-Unruhen von 2005 das "Gesindel" mit dem "Hochdruckreiniger" hinausfegen wollte. Sarkozys einziger Trumpf: Der dunkelhäutige Rapper Doc Gynéco, den seine Rap-Kollegen allerdings ächten, seit er sich zu Sarkozy bekannte.

"Die direkten Beziehungen zählen"

Doch das klassische Schema: links die Intellektuellen, rechts höchstens die alten Schlagersänger, weicht auf. Der Philosoph André Glucksmann fragte in der Zeitung Le Monde : Welche Antworten hat die Linke? Leider sehr wenige." Auch die Schriftsteller Pascal Bruckner und Marc Weitzmann und der Friedensnobelpreisträger und Auschwitz-Überlebende Elie Wiesel schlugen sich ins Lager Sarkozys.

Dass die Star-Unterstützung einen großen Effekt hat, bezweifelt der Soziologe Lemieux. "Vielleicht strahlt ein wenig des Glanzes auf die Präsidentschaftskandidaten ab, aber dazu gibt es keine Erhebungen." Und was versprechen sich die Künstler davon? "Frankreich ist ein zentralistischer Staat, und es ist immer noch wie am Hofe Ludwigs XIV.: Die direkten Beziehungen zählen", sagt Lemieux.

Die Journalistin Le Bris hält den Promiwirbel für eine Modeerscheinung, nach deren Abflauen ein böses Erwachen möglich ist. So wie 2002, als besonders viele junge Künstler den Sozialisten Lionel Jospin unterstützten. Von denen habe man danach nichts Politisches mehr gehört, sagt Le Bris: "Vielleicht weil er verloren hat. Vielleicht aber auch, weil sie sich missbraucht fühlten."

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