Possen:Claranoia

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Clara-Zetkin-Straße? Der Name der Kommunistin hebt nicht die Steuermoral, sagt Sachsens Finanzminister Georg Unland. Aber ist "Waisenhausplatz" tatsächlich besser? Wie das Pirnaer Finanzamt eine passende Anschrift sucht.

Von Cornelius Pollmer

Das Finanzamt im sächsischen Pirna hat 23 Millionen Euro gekostet, noch in diesem Jahr soll es eröffnen. Zweitgrößte Sorge: Es gab Pfusch. Statt regionalem Postaer Elbsandstein ist außen offenbar Günstiges aus Polen verbaut worden. Noch leidenschaftlicher aber wird gerade debattiert, unter welcher Anschrift das Amt künftig zu erreichen sein wird. Schon beim Richtfest hatte Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) gesagt, er störe sich an der Adresse Clara-Zetkin-Straße, ein solcher Name motiviere nicht dazu, Steuern zu zahlen. Weil das Amt gegenüber dem Bürger aber vor allem in Briefköpfen und auf Visitenkarten sichtbar werde, müsse man diesen Aspekt im Blick haben. Und weil eines der sanierten Gebäude einst ein Waisenhaus war, hatte Unland gleich selbst eine neue Anschrift vorgeschlagen: Waisenhausstraße. Zunächst wurde Unland belächelt und sein Anliegen vom Volk mit klimpernden Alternativ-Vorschlägen beschieden ("Taschengreif-Palais"). Dann verfolgte der Minister seinen Wunsch mit tatsächlichem Nachdruck, der Ältestenrat des Pirnaer Stadtrat aber lehnte ab.

Nun versucht Unland, die Sache über den Staatsbetrieb "Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB)" zu regeln. Sein Plan: Die nach der Frauenrechtlerin, Friedensaktivistin und Kommunistin Clara Zetkin benannte Straße bliebe unberührt, ein beim Bau entstandener Vorplatz würde neu und zusätzlich als "Waisenhausplatz" ausgewiesen. Die (wahrscheinliche) Zustimmung soll der Pirnaer Stadtrat zu Beginn der neuen Woche geben. In der Sache dürfte sich Unland damit am Ende durchsetzen, in der Kategorie PR hat er auf dem Weg dahin nun eine weitere Niederlage einstecken müssen. Die lokalen Jusos forderten die Umbenennung des Dresdner Carolaplatzes, an dem Unlands Finanzministerium sitzt, in Clara-Zetkin-Platz. Begründung: Das unter der letzten sächsischen Königin Carola herrschende Königshaus habe kaum Steuern gezahlt. Ein solcher Name motiviere nun wirklich "definitiv nicht" zum Zahlen von Steuern.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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