Porträt:Muktada al-Sadr

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Er gilt als als neuer Führer der Schiiten und will vor allem eines erreichen: Mehr Autorität für die Schiiten.

Von Heiko Flottau

Einige Monate schien es etwas ruhig geworden zu sein um den jungen Scheich, dessen genaues Geburtsdatum die Öffentlichkeit nicht kennt. Muktada al-Sadr aus der heiligen schiitischen Pilgerstadt Nadschaf hatte sich von Anfang an gegen eine Zusammenarbeit mit Amerikanern und Briten ausgesprochen. Doch dann war die Figur des jungen politischen Heißsporns ein wenig hinter der mächtigen Gestalt des Groß-Ayatollahs Ali al-Sistani verschwunden.

Es war al-Sistani, der für die Schiiten sprach, nicht al-Sadr. Jetzt steht plötzlich der junge al-Sadr an der Spitze einer schiitischen Rebellion, von der noch niemand sagen kann, wie sie ausgehen wird. Und der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, nennt ihn einen "Gesetzlosen".

Muktada al-Sadr kommt aus einer angesehenen Klerikerfamilie in Nadschaf. Ein Verwandter, Mohammed Bakir al-Sadr, wurde 1990 im Auftrag des damaligen Diktators Saddam Hussein getötet. Auch Muktadas Vater, Mohammed Sadik al-Sadr, wurde Opfer des Regimes. Udai Hussein, ältester Sohn Saddam Husseins, ließ Sadik al-Sadr 1999 ermorden. Sohn Muktada, der unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak, im April vergangenen Jahres, erstmals politisch in Erscheinung trat, ist also von einer tragischen Familiengeschichte geprägt.

Er will seine Schiiten keiner anderen Autorität mehr unterstellen - weder einem irakischen Herrscher noch einer ausländischen Macht. Seine Anhänger unterhalten eine eigene Miliz, die sich "Mahdi" ("Erlöser") nennt. Freunde des Predigers versuchen gelegentlich, Muktada etwas älter zu machen als er ist, um ihrem Vorbild mehr politisches Gewicht zu geben. Denn bislang leitet der junge al-Sadr sein Renommee vor allem von seinem Vater ab. Geschätzt wird Muktada auf etwa 30 Jahre.

Hauptstützpunkt Muktada al-Sadrs ist allerdings nicht Nadschaf. Dort regiert der derzeit politisch eher zurückhaltend agierende Ayatollah al-Sistani. Wenn Muktada al-Sadr zu seinen Anhängern sprechen will, fährt er freitags oft in die nordöstlich von Nadschaf gelegene Stadt Kufa. Kufa gilt als Sadr-Land - ebenso wie der zwei Millionen Einwohner zählende Bagdader Stadtteil Sadr-Stadt. In den Slums von Sadr-Stadt wohnen viele der entrechteten Schiiten des Irak - jene, die von Saddam am brutalsten unterdrückt worden waren.

Gleich in den ersten Nachkriegstagen, im April 2003, ließ Muktada al-Sadr den Ort nach seinem von Udai Hussein ermordeten Vater nennen - bis dahin hatte dieser Teil Bagdads Saddam-Stadt geheißen. Am Montag riegelten US-Panzer Sadr-Stadt ab, um zu verhindern, dass Hunderttausende Schiiten den Protest gegen die Verfolgung ihres Führers ins Zentrum Bagdads trügen, wo auch US-Zivilverwalter Bremer sitzt.

© SZ vom 6.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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