Porträt:Michel Barnier

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Chiracs Kandidat für das Außenministerium

Von Gerd Kröncke

Er hätte schon einmal ins Kabinett Raffarin kommen können, aber Wirtschaftsminister wollte Michel Barnier vor zwei Jahren nicht werden. Stattdessen blieb er lieber Kommissar in Brüssel. Doch das Angebot, Chef der französischen Diplomatie zu werden, das ist selbst nach einer stetig steilen Karriere eine Herausforderung, der er sich stellen wollte.

Die Entscheidung des Staatspräsidenten für den Mann aus Savoyen kam unverhofft, doch noch überraschender war, dass Dominique de Villepin seinen Platz als Außenminister wird räumen müssen.

Michel Barnier ist lange Zeit der Jüngste gewesen, und er wirkt auch heute noch jünger als seine 51 Jahre. Fast ein Asket, ein Dauerläufer und in den Bergen seiner Heimat ein begeisterter Skiläufer.

Ein Mann ohne Affären, offenbar glücklich verheiratet, drei Kinder; ein Streber, der immer wusste, was er wollte. Mit seinem Studium an der Pariser Ecole Supérieure de Commerce verschaffte er sich sein Entree in die Politik und wurde Berater im Umweltministerium. Schon mit 22 Jahren gewann er sein erstes Wahl-Mandat im Generalrat des Départements Savoie. Bereits fünf Jahre später saß er als jüngster Abgeordneter in der Nationalversammlung.

Zusammen mit dem Sporthelden Jean-Claude Killy organisierte er die Olympischen Winterspiele von Albertville und war stolz darauf, dass die Großveranstaltung in seiner Bergheimat ohne gravierende Eingriffe in die Umwelt über die Bühne ging. Dies trug dazu bei, dass ihn der damalige Premier Edouard Balladur als Umweltminister in seine Regierung holte. Unter dessen Nachfolger Alain Juppé wurde er Europa-Minister.

Aber Barnier begab sich nie in die Abhängigkeit der Partei, und er war kein bedingungsloser Anhänger Chiracs. Im Präsidentschaftswahlkampf 1981 unterstützte er nicht ihn, sondern den Rivalen Valéry Giscard d'Estaing.

Das nahm ihm Chirac, der sonst eher nachtragend ist, nicht lange übel. Immerhin hatte Barnier eine gewisse Unabhängigkeit bewiesen. In Brüssel bewährte er sich dann als Chiracs Mann. Zudem galt Barnier schon als ausgewiesener Europäer, als die Mehrheit der Gaullisten noch die Fahne der Europaskeptiker schwenkten. Er gehörte zu den wenigen Gaullisten, die für den Vertrag von Maastricht stimmten.

Barnier setzte sich früh für die Ost-Erweiterung ein und warb nachhaltig für mehr Solidarität mit den neuen Mitgliedern der Europäischen Union. Deshalb kann er in dieser Region auf einigen Kredit hoffen, wenn er das Außenministerium übernehmen wird.

Auch seine Kontakte zu Deutschland sind gut, besonders zu Ostdeutschland. Dort sah man ihn als Bundesgenossen und als Garant dafür, dass die wirtschaftlich schwachen Bundesländer auch nach der EU-Osterweiterung mit Förderungsgeldern aus Brüssel rechnen können.

Eigentlich wollte er den Job als Kommissar für die EU-Reform bis zum Ende seiner Amtszeit absolvieren. Er würde danach einen "hochkarätigen" Job in Paris anstreben, hieß es. Den hat er nun. Aber er muss sich an Villepin messen lassen. Denn der trotzte George Bush und Colin Powell und wurde zu einer der führenden Figuren auf der Bühne der Weltpolitik.

© SZ vom 1.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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