Polizeieinsatz im Ausland:Die Drückeberger aus Bayern

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Auslandseinsätze deutscher Polizisten gelten als hochgefährlich und äußerst wichtig zugleich. Doch ausgerecht das Land, das als Vorkämpfer in Sachen Recht und Ordnung bekannt ist, drückt sich: Bayern.

Annette Ramelsberger

Bund und Länder wollen bei der Innenministerkonferenz an diesem Donnerstag und Freitag den Einsatz von deutschen Polizisten im Ausland neu regeln, vor allem die hochgefährliche Aufgabe beim Polizeiaufbau in Afghanistan. Die ist nach Ansicht aller Beteiligten ausgesprochen wichtig - allerdings unter den Ländern völlig ungleich verteilt.

Arbeit für eine bessere Zukunft: An der Polizeiakademie in Kabul bilden deutsche Beamte afghanisches Nachwuchspersonal aus - doch ein Bundesland beteiligt sich nicht an der gefährlichen Mission. (Foto: Foto: dpa (Archiv))

Nach einer vertraulichen Übersicht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, stellen alle Bundesländer Polizisten für die 13 Auslandsmissionen vom Sudan bis zum Kosovo - ein einziges Land aber drückt sich vor diesem Engagement, obwohl es sonst als Vorkämpfer in Sachen Recht und Ordnung gilt: das Bundesland Bayern.

Die Polizei des Freistaats stellt nach den Erkenntnissen der Sicherheitspolitiker im Gegensatz zu allen anderen Ländern seit Monaten keinen einzigen Polizisten mehr für Auslandseinsätze zur Verfügung. In Afghanistan wurde sogar noch nie ein bayerischer Polizist gesichtet. "Bayern ist ein weißer Fleck, was Afghanistan anbelangt", heißt es bei Sicherheitsverantwortlichen im Bund.

Diese Verweigerungshaltung ruft nun den Unmut der übrigen Länder hervor. "Wir können die anderen Länder nicht zur Hilfe verdonnern", sagt Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). "Aber wir müssen die Aufgabe in Afghanistan ernst nehmen." Berlin hat allein sechs Polizeibeamte im Kosovo und vier in Afghanistan im Einsatz. Andere Länder haben noch viel mehr Polizisten im Ausland: Niedersachsen allein 18 Mann, Hessen 20 und Nordrhein-Westfalen sogar 34.

Insgesamt haben Bund und Länder derzeit fast 250 Polizisten ins Ausland entsandt. Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Brandenburger Jörg Schönbohm (CDU), sagt: "Das ist eine wichtige Aufgabe, an der sich alle beteiligen müssen." Eine wichtige und eine gefährliche Aufgabe: Erst im vergangenen Sommer starben drei deutsche Polizisten in Kabul, als unter ihrem Auto eine Bombe detonierte.

"Das Land ist ja noch mitten im Krieg"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bestätigt, dass die Polizei des Freistaats noch nie einen Beamten nach Afghanistan geschickt hat. Und das werde auch so bleiben. "Ich habe nicht die Absicht, daran etwas zu ändern", sagte Herrmann der SZ. "Mich überzeugt das Konzept dort nicht, das Land ist ja noch mitten im Krieg."

Schon Herrmanns Vorgänger Günther Beckstein hatte Vorbehalte gegen den Polizeieinsatz am Hindukusch. Und die Bayern stimmt auch der gemeinsame Aufruf von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nicht um, die beide den Polizeiaufbau in Afghanistan unterstützen. Die Minister haben sich sogar dafür ausgesprochen, die Zahl der deutschen Polizisten dort von derzeit 60 auf 120 zu erhöhen. Zwei Drittel der Beamten sollen die Länder stellen.

"Hier geht es um Solidarität unter den Ländern"

Die Bayern argumentieren, sie schickten genügend Polizisten in den Kosovo, 365 in den vergangenen acht Jahren. Allerdings ist seit September 2007 auch kein einziger Polizist aus dem Freistaat mehr auf dem Balkan. "Ein zufälliges Loch", wie Herrmann sagt. In den kommenden Wochen würden 15 Polizisten in den Kosovo geschickt. Die anderen Länder jedoch verweisen darauf, dass "ein Kleinstland" wie der Kosovo wohl kaum mit einer Aufgabe wie in Afghanistan zu vergleichen sei. "Die können nicht sagen, wir schicken unsere Leute in den Kosovo, die anderen sollen nach Afghanistan gehen", sagt ein Unions-Minister. "Hier geht es um Solidarität unter den Ländern." So werden den Bayern beim Innenministertreffen intern kräftig die Daumenschrauben angelegt.

Öffentlich spielen andere Themen eine Rolle - vor allem die Diskussion über das NPD-Verbot. Das von der SPD angestrebte Verbot ist bereits vor der Innenministerkonferenz gescheitert. Eine gemeinsame Linie zwischen den Bundesländern lässt sich nicht erzielen. "Das Verfahren macht aber nur Sinn, wenn es breit getragen ist. Doch der notwendige politische Wille ist nicht da", sagte Berlins Innensenator Körting. Körting gehört zu den Befürwortern eines NPD-Verbots.

Vorstoß von Niedersachsen

Vor allem der Bund und mehrere unionsregierte Länder sehen den Anlauf der SPD zu einem erneuten Verbot gegen die rechtsextremistische NPD skeptisch - insbesondere was das "Abschalten" von V-Leuten des Verfassungsschutzes betrifft, die auf vielen Positionen der Partei sitzen. Dagegen erklärten mehrere SPD-geführte Länder, ihre Erkenntnisse über die NPD reichten auch ohne die Informationen der V-Leute aus. Deren Vorschlag sieht nun vor, zunächst alle V-Leute abzuziehen, dann zwei Jahre abzuwarten und danach erneut ein Verbotsverfahren zu starten. Der Vorschlag ist nicht konsensfähig.

Auch der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Jörg Schönbohm, sieht keine Chance mehr für das NPD-Verbot. "Ich sehe keine Mehrheit für ein Verbot", sagte er der SZ. Er betrachtet auch den wiederholten Anlauf von Niedersachsen skeptisch, das prüfen will, ob die NPD aus der gesetzlichen Parteienfinanzierung ausgeklammert werden kann - wenn sie staatliches Geld für verfassungsfeindliche Ziele verwendet. "Das erscheint mir sehr schwer durchführbar", sagte Schönbohm.

© SZ vom 16.4.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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