Politische Bombe:Kampfhilfen aus Pullach

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Deutsche Agenten waren in Tschetschenien und im Irak Dienstleister für kriegführende Mächte.

Hans Leyendecker und Heribert Prantl

Was das Verhältnis zwischen dem Bundesnachrichtendienst und den amerikanischen Geheimdiensten angeht, waren und sind die Deutschen nicht von Minderwertigkeitskomplexen geplagt; und im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg schon gar nicht.

Ablauf der Bombardierung im Bagdader Stadtteil Mansur am 7. April 2003. (Nach Angaben eines früheren Pentagon-Mitarbeiters). (Foto: SZ-Grafik; Fotos: Google, Quelle: SZ-Recherche)

"In der Relation sind wir zwar nur das Pony und die der Elefant", sagte ein Experte im Februar 2003 in Pullach, am Hauptsitz des BND. Aber beim Austausch von Erkenntnissen über den Irak habe man Wertvolles zu bieten: "Die liefern uns Volumen, wir haben Nuggets", befand man an der BND-Spitze mit sichtlichem Stolz.

Das war kurz vor Beginn des Irak-Kriegs - zu jener Zeit, als Bush immer gewaltigere Bedrohungs-Szenarien an die Wand malte, von denen man heute weiß, dass sie nicht stimmten.

Der BND ahnte das schon damals. Bei der Unterrichtung deutscher Politiker war BND-Präsident August Hanning seinerzeit daher auch sehr deutlich. Vom Irak, so die damalige Analyse, gehe keine aktuelle Gefahr aus.

Atomwaffen: keine

Der deutsche Geheimdienst sah die Lage vielmehr so: Die abstrakte Gefährlichkeit des Regimes sei gegeben, sie lasse sich aber nicht genau definieren.

Konkret hieß das, Atomwaffen: keine. Biologische und chemische Waffen: keine Möglichkeit zum breiten Einsatz. Trägerwaffen: keine. Dies waren die BND-Erkenntnisse, die auch den USA zur Verfügung standen. Aber diese machten davon keinen Gebrauch.

Gebrauch machten sie stattdessen von anderen deutschen Erkenntnismöglichkeiten. Der BND hatte, im Gegensatz zu den US-Diensten, seine eigenen Leute im Irak.

Dies waren offenbar jene deutschen "Nuggets", von denen schon vor Ausbruch des Irak-Kriegs am 20. März 2003 in Pullach die Rede gewesen war. Wofür die amerikanische Politik diese Nuggets nutze, so hieß es damals, das habe man nicht in der Hand.

Delikate Frage

Eben darum aber dreht sich nun der innenpolitische Streit in Deutschland. Denn welche Dienstleistungen die Helfer des BND, die nach der Schließung der deutschen Botschaft bei den Franzosen Unterschlupf gefunden hatten, für die Kollegen vom US-Nachrichtendienst Defense Intelligence Agency (DIA) des Pentagon erbrachten, das ist - mit Blick auf die ablehnende Haltung der rot-grünen Regierung gegen den Irak-Krieg, eine durchaus delikate Frage.

Ein ehemaliger Pentagon-Mitarbeiter, der die Militäroperation der US Air-Force koordinieren half, rühmte gegenüber dem Fernseh-Magazin Panorama die Hilfe der Deutschen. "Sie gaben uns direkte Unterstützung. Sie gaben uns Informationen für die Zielerfassung."

Hochrangige Vertreter des BND widersprechen nun heftig. Ihre Agenten hätten den Amerikanern nur beim "Non-Targetting" geholfen - also dabei, zu verhindern, dass bei den Bombardements versehentlich zivile Ziele getroffen wurden.

Die Pentagon-Quelle sieht die Lage allerdings etwas anders. Gegenüber dem Panorama-Autor John Goetz erklärte der ehemalige Agent. Die Deutschen hätten zwar tatsächlich beim "Non-Targetting" geholfen.

Kein Einzelfall

Aber bei ihren Kontrollfahrten und Inspektionen in Bagdad hätten sie auch gemeldet, wo Panzer standen. Wenn sie eine Schule gesehen hätten, hätten sie daher Gelegenheit gehabt, zu verhindern, dass Zivilisten getötet wurden. Wenn sie aber Panzer gemeldet hätten, dann hätten die Deutschen, so der Agent, wissen müssen, was mit den Informationen geschieht.

Die BND-Kooperation mit den USA im Irak-Krieg war als Kriegshilfe kein Einzelfall. Schon im April 2000 war der Verdacht laut geworden, der Bundesnachrichtendienst habe Russland im Tschetschenien-Krieg mit Informationen unterstützt.

Es gab Erkenntnisse darüber, dass die CIA und der BND den Russen auf deren dringende Bitte hin Material über fundamentalistische Terrorgruppen geliefert hätten. Im März 2000 hatte eine Reise des BND-Chefs Hanning nach Tschetschenien stattgefunden. Er hielt sich mit einer Gruppe von Experten seines Hauses in dem Ort Gudermes nahe der von den Russen zerstörten tschetschenischen Hauptstadt Grosny auf.

Dem parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) gegenüber wurde die Reise wie folgt dargestellt: Es habe sich um "Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Terrorismus" gehandelt.

Problematisch war an der Reise des BND-Chefs vor allem, dass sie zu einem Zeitpunkt stattfand, zu dem Außenminister Fischer eine entschiedenere Menschenrechtspolitik forderte und mit seiner Kritik an Moskau wegen des Vernichtungksriegs in Tschetschenien den Unmut von Präsident Putin erregt hatte.

Sollten sich in den kommenden Tagen und Wochen die BND-Aktivitäten zu einer politischen Bombe ausweiten, so dürfte deren Detonation in Berlin erfolgen.

Denn der deutsche Dienst ist traditionell gefährlich nahe an den jeweiligen Regierungschef und seine Politik angebunden. In der Regierungszeit von Helmut Kohl wurden zwei Geheimdienstkoordinatoren wegen Skandalen entlassen; der dritte, der damalige Staatsminister Bernd Schmidbauer, geriet zumindest in eine gefährliche Schräglage, als 1995 klar wurde, dass der BND bei einer Schmuggel-Tour von 363 Gramm Plutonium aus Moskau nach Deutschland mitgeholfen hatte.

© SZ vom 13.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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