Pläne der Großen Koalition:Lauwarmer Klimaschutz

Lesezeit: 3 min

Das Klimasystem der Erde ist träge, und es ist ausgesprochen nachtragend. Schon vor der Kabinettsklausur in Meseberg ist offenkundig, wie schwer sich die Große Koalition damit tut, mit passenden Klimakonzepten darauf zu reagieren.

Wolfgang Roth

Die Treibhausgase, welche seit dem Beginn der Industrialisierung in die Atmosphäre gelangen, entfalten ihre Wirkung noch nach vielen Jahrzehnten. Politik ist aber in einer Demokratie auf Legislaturperioden fixiert. Diese Fixierung ist besonders stark, wenn eine Große Koalition am Ruder ist, in der beide Parteien das Ende der Zwangspartnerschaft herbeisehnen.

Klimaschutzziele der Großen Koalition: Zu langsam für das schmelzende Eis. (Foto: Foto: AP)

Wie schwer sich Union und SPD damit tun, ein umfassendes und verbindliches Klima- und Energiekonzept bis zum Jahr 2020 vorzulegen, ist schon vor der Kabinettsklausur in Meseberg offenkundig.

So ist klar, dass wegen der zahlreichen Kompromisse und wegen der Vertagung strittiger Komplexe nie und nimmer ein Fahrplan herauskommt, der Deutschland an das selbstgesteckte Ziel bringt: die Reduzierung der Treibhausgase um 40 Prozent, gemessen am Basisjahr 1990.

In einem beliebten Spiel wird eine Person mit Temperaturangaben an ein Objekt herangeführt, das sie finden soll: ganz kalt, wärmer, heiß. Die Bundesregierung wird sich mit ihrem Programm nach Meseberg an einer Stelle befinden, an der es gerade lauwarm ist.

Immerhin, die Beschlüsse der Klausur führen schon in Regionen mit höherer Temperatur. Das liegt vor allem daran, dass im Klimaschutz endlich ein Potential erschlossen wird, das doppelte Rendite verspricht.

Besser gedämmte Häuser, moderne Heizungsanlagen, die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energie zur Wärmegewinnung, sie mindern sowohl die Klimabelastung als auch die immer riskantere Abhängigkeit von Gas und Öl. Die verschärfte Einsparverordnung erfasst zu Recht auch die Sanierung von Altbauten und wäre ein stumpfes Schwert, wenn sie nicht mit Bußgeldern drohen würde.

Dass die Verbände der Immobilienwirtschaft über diese Vorgaben klagen, war vorhersehbar, sollte aber niemanden sonderlich beunruhigen. Es wird da die übliche Rechnung aufgemacht: Auf diesem oder jenem Sektor könne für weniger Geld mehr für den Klimaschutz erreicht werden. Mit solchen Ablenkungsmanövern haben schon die Spitzen der Stromwirtschaft auf den Autoverkehr gedeutet, die Manager der Autoindustrie auf die Luftfahrt, die Luftfahrt auf den Autoverkehr...

Wirksamer Klimaschutz muss sich aber mit Ordnungsrecht auf möglichst viele Bereiche der Wirtschaft erstrecken, solange kein System existiert, das den Handel mit Zertifikaten für jede Form von klimaschädlicher Energie erfasst. Der EU-weite Handel mit Emissionsrechten krankt aber daran, dass nur die Industrie im Spiel ist, private Haushalte und der Verkehrssektor hingegen außer Obligo bleiben.

Tabu Tempolimit

An den Auto- und Flugverkehr traut sich die Koalition nicht so recht heran, da klafft eine Lücke im Programm auch dieser Regierung. Es sind kleine Schräubchen, die gedreht werden, etwa bei der nach dem Kohlendioxidausstoß gestaffelten Lastwagenmaut und der Kfz-Steuer. Vage Absichtserklärungen zur Besteuerung des privilegierten Flugzeugtreibstoffs erfolgen allemal auch vor dem Hintergrund, dass ein solcher Schritt erst noch auf internationaler Ebene abgestimmt werden müsste. Das kann dauern und wird, wenn überhaupt erst auf Druck aus Brüssel hin geschehen.

Leider schafft es nicht einmal eine Große Koalition, Deutschland an die zivilisierte Verkehrswelt heranzuführen und ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Es brächte nicht die Menge für das Klima, aber Kleinvieh macht auch Mist. Außerdem gibt es keine Maßnahme, die so einfach und zudem kostenneutral umzusetzen wäre. Rationale Gründe zählen aber nicht, wenn eine Gesellschaft Tabuzonen errichtet hat, in denen quasisakrale Regeln gelten.

Vertagt ist außerdem der Ausbau der unschlagbar effektiven Blockheizkraftwerke, die gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. Sie haben in Deutschland einen Minderheitenstatus, weil sich die Stromkonzerne zäh gegen den Verlust ihrer Marktanteile an dezentrale Erzeuger wehren.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, könnte man meinen, und es ist ja auch wahr: Was jetzt in Meseberg beschlossen und hoffentlich bald in Paragraphen gegossen wird, ist nur die Basis einer Koalition für zwei Jahre. Allerdings benötigen Wirtschaft und Verbraucher Sicherheit weit über diese Zeit hinaus; wer heute investiert, braucht die Gewissheit, dass dies langfristig Früchte bringt.

Und bei all den Klagen über die Kosten des Klimaschutzes wird leicht vergessen, dass spätes Handeln noch teurer kommen könnte. Staaten, die das Landemanöver rechtzeitig einleiten, vermeiden den harten Aufschlag, wenn die Folgen der Erderwärmung evident sind und Erdöl sowie Erdgas unbezahlbar werden.

Es wird nicht leichter in zwei Jahren. Und es kann auch gut sein, dass Union und SPD dann wieder aneinandergekettet sind, weil die Wähler und die Parteienkonstellation es so bestimmen. Ob Deutschland dann wenigstens reif für ein Tempolimit ist? Die beiden Volksparteien sollten sich darauf einstellen, dass sich für die nationalen Klimaschutz-Ziele künftig noch weit schwerere Aufgaben stellen.

© SZ vom 23.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: