Plädoyers im Prozess:Geheim ist geheim

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Der frühere BND-Mitarbeiter Markus R. im November 2015 im Oberlandesgericht in München. (Foto: Michael Dalder/dpa)

Bundesanwälte fordern zehn Jahre Haft für einen früheren BND-Mitarbeiter, der unter anderem 3000 Decknamen an die CIA verraten haben soll.

Von Hans Holzhaider, München

Die Welt ist komplizierter geworden, seit der Kalte Krieg zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt der Vergangenheit angehört, sagen die Bundesanwälte Frank Stuppi und Wolfgang Siegmund. Das alte Freund-Feind-Schema gilt nicht mehr. Auch die USA sind nicht mehr einfach nur Verbündete, vor denen Deutschland keine Geheimnisse hat. Deshalb sei das, was Markus R., 32, getan hat, Landesverrat. Es handele sich auch um einen besonders schweren Fall, weil R. seine Stellung als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) zum Geheimnisverrat missbraucht habe. Dafür soll R., so der Antrag der Bundesanwälte, für zehn Jahre ins Gefängnis.

Markus R. war seit 2007 beim BND beschäftigt. Im Sommer 2008 hatte er sich bei der amerikanischen Botschaft in Berlin als Agent beworben und in der Folge, bis zu seiner Verhaftung im Juli 2014, mehr als 300 zum Teil als geheim eingestufte Dokumente an seine Kontaktperson von der CIA geliefert. Die Amerikaner hatten ihm dafür im Lauf der Jahre 90 000 Euro bezahlt.

Die CIA habe "ihr Glück kaum fassen können", als sie die Dokumente bekam

Die Sache war aufgeflogen, als er im Frühjahr 2014 auch im russischen Generalkonsulat in München seine Dienste anbot und auch gleich drei Dokumente mitschickte. Was für Dokumente das im Einzelnen waren, durfte die Öffentlichkeit nicht erfahren. Immer, wenn im Prozess vor dem Oberlandesgericht München der Inhalt der Dokumente zur Sprache kam, mussten die Zuhörer den Gerichtssaal verlassen. Ein paar Ausnahmen machte Bundesanwalt Siegmund in seinem Plädoyer aber doch, um die aus seiner Sicht besondere Verwerflichkeit des Verrats darzulegen. Da ist vor allem die Personaldatenbank, in der mehr als 3000 Mitarbeiter des BND mit ihren Klar- und Decknamen gespeichert waren. Ein "Filetstück aus dem Innenleben des BND" sei das gewesen, sagt Siegmund. Die CIA habe "ihr Glück kaum fassen können", als sie dieses Dokument frei Haus geliefert bekam, und habe R. angesichts dieses vermeintlichen Husarenstücks besorgt gemahnt, er solle "auf seine persönliche Sicherheit achten". Allerdings, so der Bundesanwalt, sei die Existenz dieser Datei auch ein Zeugnis sträflichen Leichtsinns beim BND: "Eine solche Datenbank darf es in der operativen Abteilung eines Nachrichtendienstes nicht geben."

Eine weitere "Todsünde" des Angeklagten: Er habe "unbearbeitete Rohmeldungen" weitergegeben, Meldungen also, die Hinweise auf den Urheber enthalten. "Das gefährdet das Leben der Quelle", sagte Siegmund. R. habe "jede sich bietende Gelegenheit zum Verrat beim Schopf gepackt". So habe sich etwa, als er vorübergehend als Vertretung im Büro des Abteilungsleiters arbeitete, sein Ausstoß an verratenen Dokumenten "signifikant erhöht". Nicht alles freilich war gleich wertvoll für die amerikanischen Freunde. Am 24. Dezember 2013 zum Beispiel versah R. ein Dokument, das nur als VS-vertraulich eingestuft war, mit dem Stempel "streng geheim". "Das sollte ein Weihnachtsgeschenk für die CIA sein", sagte Siegmund.

Die Frage war nun: Hat der Geheimnisverrat, den Markus R. umfassend gestanden hat, wirklich "die Gefahr eines erheblichen Nachteils für die Sicherheit der Bundesrepublik" heraufbeschworen? Nur dann, so steht es im Gesetz, ist der Tatbestand des Landesverrats erfüllt. Vor 50 Jahren, sagte Bundesanwalt Stuppi, hätte man das wohl noch anders gesehen. Damals "dürfte die CIA noch jeden BND-Mitarbeiter persönlich gekannt haben". Heute hingegen müsse man "mit variierenden Partnerschaften arbeiten", und die Interessen stimmten auch unter Verbündeten nicht immer überein - siehe zum Beispiel die Nichtbeteiligung Deutschlands am Irakkrieg. Erst recht gelte das natürlich für Russland. Dass R. sich nur aus Frust und Langeweile bei den Amerikanern als Agent andiente, glauben die Bundesanwälte nicht. "Seine Beweggründe waren vor allem Streben nach Geld und ein erhöhtes Geltungsbedürfnis", sagte Siegmund. Das Urteil im Spionageprozess wird für den 17. März erwartet.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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