Piraten:"An sich selbst gescheitert"

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Martin Delius, 31, hat sich mit seiner Arbeit in Berlin viel Respekt erworben. Dennoch will er nicht wieder antreten. (Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Der Berliner Fraktionschef der Piraten, Martin Delius, will nicht mehr zur Wahl antreten. Er hält seine Partei für gescheitert. Im Interview erklärt er, wie es so weit kommen konnte - und wie sehr ihn das enttäuscht.

Interview von Jens Schneider

Die Piratenpartei zog im September 2011 mit einem spektakulären Ergebnis erstmals in ein Landesparlament ein. In Berlin holte sie 8,9 Prozent und 15 Mandate, danach hatte sie auch in anderen Ländern Erfolg. Schon bald begann ein Zerfallsprozess, der Niedergang ging fast so schnell wie der Aufstieg. In der Hauptstadt hat sich die Piratenfraktion Respekt erworben; vor allem ihr Chef Martin Delius, 31, als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Hauptstadtflughafen. Jetzt kündigte Delius an, dass er zur Abgeordnetenhauswahl 2016 nicht mehr antritt. Er werde, sagt der Physiker über seine Pläne, bald Bewerbungen schreiben.

S Z: Die Piraten wollten alles anders machen. War der Versuch vergebens?

Martin Delius: Nein, ich finde, es hat sich gelohnt. Ich habe viel gelernt, wir haben einiges bewegt. Wir sind in Berlin als Fraktion ein fester Ansprechpartner geworden, haben Themen beeinflusst, etwa zum BER oder in der Debatte über die öffentliche Überwachung. Wir konnten was reißen.

Wie erleben Sie das Parlament?

Was mich am meisten irritiert, ist ein menschliches Problem, das es wohl vor allem in einem Provinzparlament wie dem Berliner Abgeordnetenhaus gibt. Die Parlamentarier nehmen sich und ihre Arbeit nicht so ernst, wie man das erwarten könnte, insbesondere wenn sie großen Fraktionen angehören und lange dabei sind.

Wie meinen Sie das?

Sie stehen einer mächtigen Exekutive gegenüber und sollen sie kontrollieren, das tun die wenigsten. Es könnte alles schön werden, würden die Abgeordneten ihre Aufgabe wahrnehmen. Sie haben die Instrumente, aber nutzen sie selten.

Sie sind gern Parlamentarier.

Na klar. Dennoch hören Sie auf. Es ist zwangsläufig. Die Partei, für die ich angetreten bin, interessiert sich nicht mehr für das Wahlprogramm, mit dem wir damals als Piraten gewählt worden sind. Sie hat eher einen Rechtsruck durchgemacht. Sie ist für mich keine Option mehr. Und ich würde mich mit einem Anbiedern an jede andere Partei wahnsinnig unglaubwürdig machen. Darauf habe ich keine Lust.

Hat es Angebote gegeben?

Ja, natürlich.

Aber Sie sagen nicht von wem?

Nö.

Werden Sie die Partei verlassen?

Sicherlich, irgendwann mal. Im Moment bin ich Fraktionsvorsitzender, da wäre es schon formal schlecht, nicht in der Partei zu sein, deren Namen man trägt. Das wird enden, wie das Mandat endet.

Die Piratenpartei endet als ein Fiasko.

Die Piratenpartei ist letztlich an sich selbst gescheitert, an der Unfähigkeit, Politik zu machen. Schon an der Unfähigkeit, Politik zu wollen, und alles, was damit einhergeht: sich einigen, auch mal unterordnen, Kompromisse schließen, sich an Beschlüsse zu halten.

Ein menschliches Problem?

Politik ist immer ein menschliches Problem.

War das vorhersehbar?

Nein. Sicherlich war die Gefahr groß. Aber es musste nicht so kommen. Wenn man den Willen zur Politik hat, auch von anderen Parteien lernen kann, gibt es die Möglichkeit, sich als Neuling in der Politiklandschaft zu verstetigen.

Ließ sich das nicht entwickeln?

Das war unmöglich. Es ließ sich nicht in die Partei reinverhandeln. Aber es war beim Start der Berliner Piratenpartei gegeben, wir hatten erst Probleme und haben sie vor der Wahl damals so lösen können, dass wir gewählt worden sind. Damals war mehr Politik in der Partei.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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