Physiotherapeuten:Entlastung für bedrohte Praxen

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Osteoporose-Patienten nehmen unter Anleitung einer Physiotherapeutin an einer Funktionsgymnastik teil. (Foto: Volker Hartmann/dpa)

Physiotherapeuten sollen mehr Geld bekommen - und mehr Verantwortung. Sie und nicht die Ärzte sollen künftig über die Behandlung entscheiden, vorerst allerdings nur in Testregionen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die große Koalition will die Verdienstaussichten der Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und anderer Anbieter von Heilmitteln deutlich verbessern. "Die bisherige Begrenzung der Vergütungsanhebungen wird abgeschafft", heißt es in einem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Das heißt, künftig soll der Anstieg der Grundlohnsumme nicht mehr die Richtlinie für den Anstieg der Honorare sein.

Union und SPD brechen damit mit einem Prinzip, das die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt 2003 zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen durchgesetzt hat. Unter Grundlohnsumme versteht man die Gehälter, aus denen Beiträge zur Krankenversicherung zu leisten sind. So sollte der Anstieg der Honorare auf das Maß gedeckelt werden, in dem auch die Einnahmen der Kassen steigen.

Bei den Physiotherapeuten und anderen Heilmittelanbietern hatte die Regelung in den vergangenen Jahren zu realen Lohneinbußen geführt. Auch eine zwischenzeitliche Lockerung hatte ihnen nicht den erhofften Zuwachs gebracht. Viele Praxen stehen daher nach Angaben aus der Branche am Rand ihrer wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit. Die nun möglichen Steigerungen des Honorars würden dringend benötigt, heißt es.

Um die Berufe darüber hinaus attraktiver zu machen, will die Koalition auch die inhaltliche Verantwortung der Therapeuten stärken. In jedem Bundesland soll es laut Entwurf eine Testregion geben, in der die Mitglieder der sogenannten nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe und nicht der Arzt darüber entscheiden, welche Form der Behandlung für den Patienten am besten ist. Der Arzt stellt dazu eine Blankoverordnung aus. Der Therapeut entscheidet dann "aber selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten", heißt es in dem Regelwerk. Es hat schon zwei Modellprojekte gegeben, die ein solches System erproben sollten. Die Erkenntnisse sollen aber durch die Ausweitung der Tests auf eine breitere Grundlage gestellt werden.

Mit dem Entwurf soll außerdem der Katalog der sogenannten Hilfsmittel entrümpelt werden. Darunter fallen Bandagen, Krücken, Rollstühle, Windelhosen und ähnliche Dinge. Derzeit hielten die Qualitätsstandards nicht immer mit dem medizinisch-technischen Fortschritt mit, heißt es in dem Entwurf. Zudem stünden im Verzeichnis viele Produkte, die gar nicht mehr erhältlich seien. Die Koalition will den Spitzenverband der Krankenkassen deshalb verpflichten, bis Ende Juni 2018 sämtliche Produktgruppen des Verzeichnisses zu überprüfen. Zudem darf der Preis nicht mehr das alleinige Kriterium bei der Auswahl eines Hilfsmittels sein. Zu 40 Prozent sollen künftig auch Qualität, Zweckmäßigkeit oder Zugänglichkeit berücksichtigt werden.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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