PDS-Parteitag:Sozialismus ist nur noch Fernziel

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Die PDS hat nach jahrelangen, teils heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen ein neues Grundsatzprogramm beschlossen. Die Partei bekennt sich darin zwar weiter zu dem Ziel des Sozialismus, sie gab aber eine Reihe fundamentalistischer Positionen auf.

Von Philip Grassmann

(SZ vom 27.10.2003) Chemnitz - 333 von 428 Delegierten stimmten am Sonntag für das neue Programm; die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit wurde mit 77,8 Prozent der Stimmen übertroffen. Es gab 38 Neinstimmen und zehn Enthaltungen. Die etwa 600 Änderungsanträge, die vor allem die Parteilinke eingebracht hatte, wurden fast alle abgelehnt.

Allerdings war der Vorstand zuvor von sich aus den Links-Sozialisten in einigen Punkten entgegengekommen. Fast der gesamte Bundesvorstand sowie viele Landes- und Fraktionschefs hatten eindringlich für das neue Programm geworben.

Parteivorsitzender Lothar Bisky sagte nach der Abstimmung: "Dies ist ein wichtiger Schritt zurück in die Politik." Nun müsse die Partei "hinein in die Gesellschaft". Bisky forderte die Partei auf, nun Geschlossenheit zu zeigen. An die Programmkritiker appellierte er, die Mehrheitsentscheidung zu akzeptieren.

Er sei nun zuversichtlich, dass die PDS bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland im kommenden Jahr erfolgreich sein könne.

In dem fast 40 Seiten starken Programm spricht sich die Partei für Veränderungen des gegenwärtigen Systems aus. Der Sozialismus wird als Fernziel jedoch beibehalten. Die PDS schwächt auch ihren strikt antikapitalistischen Kurs ab. Nach einer heftigen Debatte beschlossen die Delegierten einen Passus, in dem es heißt: "Unternehmerisches Handeln und Gewinninteresse sind wichtige Voraussetzungen für Innovation und Leistungsfähigkeit."

Die Delegierten unterstützten aber gegen den Wunsch des Vorstands eine Passage, in der auf Einschränkungen durch sozialstaatliche Regulierung und demokratische Mitbestimmung bestanden wird. Anträge, die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums abzuschaffen, wurden abgelehnt.

Auch die radikalpazifistische Position, die die PDS im Jahr 2000 auf ihrem Parteitag in Münster beschlossen hatte, wurde überarbeitet. Die Partei bekennt sich nun zur UN-Charta und damit grundsätzlich auch zu friedenserhaltenden Militäreinsätzen. Einschränkend heißt es, der UN-Sicherheitsrat dürfe das allein ihm übertragene Recht, militärische Mittel einzusetzen, nicht unter dem Druck der Großmächte missbrauchen.

Auslandseinsätze der Bundeswehr werden explizit abgelehnt. Vertreter des linken Parteiflügels hatten versucht, diese Passage zu verhindern. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf nannte den UN-Sicherheitsrat eine "organisierte Großmachtsbande" und warnte vor einer Erosion der pazifistischen Grundhaltung der Partei. Das Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Gehrcke wehrte sich vehement gegen diesen Vorwurf. Er versicherte, die PDS werde auch künftig kriegerischen Einsätzen nicht zustimmen und an ihrer Friedenspolitik festhalten.

In ihrem neuen Programm distanziert sich die PDS auch von der Vorgängerpartei SED und spricht sich für eine rückhaltlose Auseinandersetzung mit den Verbrechen aus, "die im Namen von Sozialismus und Kommunismus" begangen worden seien. Allerdings heißt es dort auch: "Zur Geschichte der DDR gehören bemerkenswerte Ergebnisse und wertvolle Erfahrungen." Ausdrücklich bekennt sich die PDS zum Grundgesetz.

Die Delegierten sprachen sich für die Übernahme von Regierungsverantwortung aus. Die PDS müsse beweisen, dass sie mitgestalten wolle und Veränderungen bewirken könne. Teile der Parteilinken sehen die Regierungsbeteiligungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern dagegen kritisch. Ihre Änderungsanträge fanden jedoch keine Mehrheit.

Nur ein einziger prominenter PDS-Politiker schaltete sich nicht in die Programmdebatte ein: Gregor Gysi. Der ehemalige Parteichef trat diesmal nicht auf dem Parteitag in Erscheinung. Stattdessen hielt er eine Rede vor Beginn der Tagung auf dem Chemnitzer Neuen Markt. Dort forderte er allerdings mit deutlichen Worten seine Partei auf, die "ewigen Debatten über das ideologische Rüstzeug zu lassen" und endlich eine Alternative zu präsentieren. Gysi reiste bereits am Samstagnachmittag ab.

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