Parteitag der CDU:Sprachlos in Stuttgart

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Reden, diskutieren, zanken - der Parteitag wäre eigentlich das richtige Forum für den Richtungsstreit in der CDU. Doch genau dies will die Parteispitze verhindern.

Stefan Braun

Diesmal geht es ums Ersticken, um das Beenden einer Debatte. Wenn sich an diesem Montag die CDU zu ihrem Bundesparteitag in Stuttgart trifft, dann müssten die Christdemokraten eigentlich reden, diskutieren, streiten. Doch daran hat die Parteiführung kein Interesse.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangt Loyalität - trotzdem sind viele Parteimitglieder unsicher, ob die CDU der Finanzkrise richtig begegnet (Foto: Foto: dpa)

Seit Tagen schon wird innerhalb und außerhalb der Partei heftig debattiert, ob und wie die Regierung unter Angela Merkel auf die Wirtschaftskrise weiter reagieren soll. Zugespitzt hat sich vor allem der Streit über sofortige Steuersenkungen. Weil die CDU-Führung aber genau das nicht will, arbeiten ihre wichtigsten Leute hart daran, das Thema zu erledigen. Dass sich am Wochenende mehrere Ministerpräsidenten in der Steuer-Frage hinter Merkel gestellt haben, deutet in diese Richtung.

Wie der Kampf der Parteiführung gegen die große Debatte aussieht, konnten Teilnehmer einer besonderen Runde schon am 24. November erleben, also vor genau einer Woche. An diesem Tag versuchen Volker Kauder und Ronald Pofalla im geschäftsführenden Fraktionsvorstand, den Dammbruch zu verhindern.

Sie bitten, werben, argumentieren, damit die eigene Mannschaft den Forderungen der letzten Tage keine weiteren hinzufügen. Die loyalsten Abgeordneten sitzen hier zusammen, derartige Appelle sind hier normalerweise nicht nötig.

Doch die Zeiten sind nicht mehr normal seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Und weil in der Fraktion wie in der Partei das Gefühl wächst, das erste Paket zur Ankurbelung der Wirtschaft könnte sehr viel zu klein sein angesichts der Krise, droht die Debatte auszuufern. Insbesondere - aber nicht nur - die Wirtschaftspolitiker der Fraktion fordern immer lauter Steuerentlastungen.

Kauders Reaktion in der Vorstandssitzung: Er warnt nach Berichten von Teilnehmern davor, sich unglaubwürdig zu machen. Ausgerechnet diejenigen, die jetzt Steuersenkungen verlangten, hätten vor zwei Jahren laut applaudiert, als man sich einen ausgeglichenen Haushalt zum Ziel gesetzt habe. Der Fraktionschef bittet eindringlich darum, die Debatte zu beenden. Loyalität sei unverzichtbar in diesen Zeiten.

Pofalla argumentiert, CDU und CSU seien im Grundsatz auf dem gleichen Weg, beide wollten auf Dauer die Steuern senken. Umso mehr solle das Trommelfeuer fürs erste ein Ende haben.

Zunächst sind die beiden erfolgreich. Mancher, der bereits Interviews geführt hat, sagt diese jetzt ab. Mit der Begründung, er wolle Kauder nicht in den Rücken fallen. Gleichzeitig aber breitet sich das Gefühl aus, die Parteispitze stecke mittlerweile fest in einem Freund-Feind-Denken, bei dem jeder Einwurf, jede Kritik als Illoyalität empfunden werde. Ein prominentes Mitglied des Fraktionsvorstandes sagt dazu: ,,Wir stellen Merkel oder Kauder doch gar nicht in Frage, wir wollen in der Sache beteiligt werden, wir wollen mitentscheiden.''

Dieses Gefühl wächst seit längerem. Nicht wenige sind frustriert darüber, dass Angela Merkel zwar manchen einzeln zu Rate zieht, am Ende der eigenen Mannschaft aber fast alles nur noch zum Abnicken vorsetzt. Seit Ausbruch der Krise wird das verstärkt durch den Eindruck, sie orientiere sich mehr an Finanzminister Peer Steinbrück als an den Christdemokraten. Das stößt vielen auf - und erklärt, warum der Ruf nach Steuersenkungen so laut erschallt. Denn das wollten sie in der Union schon lange

Problem erkannt

Die Strategie von Generalsekretär Pofalla spielt denjenigen, die schnelle Steuersenkungen fordern, in die Hände. Pofallas Hauptbotschaft für den Parteitag lautet: Die CDU entlastet die Menschen. Ende letzter Woche hat er das noch einmal hervorgehoben. Einziges, aber wesentliches Problem: Pofalla wollte Steuersenkungen erst im nächsten Jahr zum Wahlkampfschlager machen - und kann kaum erklären, wieso es jetzt falsch und in einem Jahr richtig sein sollte.

Im Kanzleramt, so hört man, ist das Problem erkannt worden. Schon heißt es, die Kanzlerin werde Steuersenkungen als grundsätzliche Überzeugung der Partei vertreten, aber als Mittel gegen die aktuelle Krise ablehnen - und sie im übrigen nicht mehr zu hoch hängen für den Bundestagswahlkampf. Daneben will man jetzt bis zum Koalitionsausschuss am 5. Januar prüfen, ob mehr Initiative sein muss.

Dieser 5. Januar soll zu Botschaft und Beleg werden, dass sich die Kanzlerin ernsthaft und entschlossen um die Krise und ihre Folgen kümmert. Dass sie das auch in eigener Sache tut, bewies sie am letzten Donnerstagabend. Beim Treffen mit den Ministerpräsidenten bat sie eindringlich darum, in Stuttgart Geschlossenheit zu demonstrieren. Gute Wahlergebnisse in Stuttgart für alle in der Parteiführung seien das richtige Signal für das Wahljahr. Die, die neben Merkel auf dem Parteitag zur Wahl stehen, hätten ganz schnell verstanden. Heißt es.

© SZ vom 01.12.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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