Parteitag:Das buddhistische Zeitalter der CDU

Lesezeit: 2 min

Schon jetzt ist Merkel die ewige Kanzlerin, so wie Kohl einst ewiger Kanzler war. Aber weil die Zeiten wilder sind als damals, ist das "ewig" diesmal ein Wort der Stabilität.

Von Heribert Prantl

Ein wesentlicher Unterschied zwischen CDU und SPD besteht darin, wie diese Parteien mit ihren Vorsitzenden umgehen. Die SPD stutzt ihren Parteichef mit Lust und Wonne zurecht; das hat vor genau einem Jahr Sigmar Gabriel erleben müssen, als er mit einem Ergebnis von nur 74 Prozent wiedergewählt wurde. Die Zweifel an ihm wurden per Abstimmung auf die Bühne gekotzt und modern seitdem herum. So wüst und selbstzerstörerisch agiert die CDU nicht.

Aus dem Parteitag in Essen geht Angela Merkel zwar nicht mit einem grandiosen Ergebnis, aber durchaus gefeiert und gesalbt in den Wahlkampf; nicht, weil alle restlos mit ihr einverstanden wären - sondern weil ihre Partei spürt, dass der Wahlkampf nur mit dieser Kanzlerin erfolgreich sein kann. Die CDU denkt mit dem Bauch und handelt dann mit dem Kopf. Bei der SPD ist es umgekehrt: Sie denkt mit dem Kopf und handelt dann mit dem Bauch. Die knapp 90 Prozent für Merkel sind angesichts der in Serie verlorenen Landtagswahlen und der Turbulenzen in der Parteienlandschaft ein sehr ordentliches Ergebnis. Wie kam es dazu? Die Zweifel an der Kanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik, die in der CDU größer sind als die zehn Prozent Nein-Stimmen, waren der Proviant skeptischer Delegierter auf ihrer Reise zum Parteitag; der Proviant wurde auf dem Weg nach Essen teilweise aufgefuttert. Und Merkel, die keine große Rednerin war, ist und sein wird, lockte in einer ansonsten schmucklosen Rede mit einem griffigen Spruch: "Ihr müsst mir helfen."

Ewige Kanzlerin? In wilden Zeiten klingt das nicht so schlecht

Die CDU steht im Wahlkampf vor einem problematischen Spagat. Sie wird bei der Bundestagswahl etliche Prozent und Prozentlein an die AfD und wohl auch an die FDP verlieren. Dafür, dass der Verlust an die AfD möglichst gering ausfällt, soll nun eine rasiermesserscharfe Ausweisungspolitik gegen Flüchtlinge sorgen; die Beschlüsse des Parteitags dazu sind von Humanität wenig geprägt; sie könnten auch von der CSU sein. Sie setzen das Gegensignal zu Merkels Flüchtlingsaufnahmepolitik vom Herbst 2015. Auf den Ruf, den sie gerade mit dieser Flüchtlingsaufnahmepolitik im Mitte-links-Milieu gewonnen hat, setzt aber die Kanzlerin auch; sie will nämlich die Stimmen, die sie nach rechts verliert, bei potenziellen SPD- und Grün-Wählern wieder holen. Eine Anti-Flüchtlingspolitik unter dem Patronat einer Flüchtlingskanzlerin - kann das gelingen?

Merkel präsentiert sich als die ruhig-souveräne Mitte in chaotischen Zeiten; sie sitzt wie ein weiblicher Buddha an der Spitze der CDU; sie ist abgeklärt und nicht mehr in den Kreislauf der politischen Reinkarnation eingebunden: Sie muss sich nicht mehr neu erfinden, sie ist das, was sie geworden ist - und will das noch vier Jahre bleiben. Mit Merkel befindet sich die CDU nun quasi im buddhistischen Zeitalter. Schon jetzt ist Merkel die ewige Kanzlerin, so wie Kohl ewiger Kanzler war. Aber weil die Zeiten wilder sind, ist das "ewig" diesmal kein Wort des Überdrusses. Merkel als Personifikation von Stabilität: Das ist das Pfund der CDU im Wahlkampf.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: