Parteien:Der lange Weg nach oben

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Innenansichten aus dem Leben einer Partei: Eine junge Journalistin meldet sich in Bremen bei der CDU als Nachwuchspolitikerin und lernt: Ideologie ist nachschulbar.

Tina Groll

Politik ist wie Business - ohne Mentoren, ohne Netzwerk und ohne Plan läuft hier nichts, und das von frühen Jahren an. Tina Groll hat in der Bremer CDU erfahren, wie das läuft mit der politischen Karriere. Die Journalistin stieg ein und wieder aus. Ihre Erfahrungen hat sie in einem Buch ("Angepasst & ausgebrannt" von Thomas Leif) niedergeschrieben.

Einsteigerin, Aussteigerin: Tina Groll versuchte sich als Nachwuchspolitikerin. (Foto: Foto: oH)

Sommer 2008: Erstmals hat die CDU mehr Mitglieder als die SPD. Von einer positiven Nachricht kann aber keinesfalls die Rede sein: Das Schrumpfen der Volksparteien ist nicht aufzuhalten. Der Nachwuchsmangel grassiert wie eine Krankheit. Besonders an jungen Frauen fehlt es den Parteien.

Junge Frau, Akademikerin und Journalistin - damit wecke ich das Interesse der Parteifunktionäre. Eine von ihnen ist die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sandra Ahrens, Jahrgang 1974, Vorsitzende der Frauen Union. Schon im Alter von 29 Jahren zog sie in die Bremische Bürgerschaft ein. Hierzulande profiliert sie sich über Frauen- und Finanzthemen. Sie scheint genau zu wissen, was sie will und wie sie es will. Konsequent hat sie auf das Mandat in der Bremischen Bürgerschaft hingearbeitet.

Als Journalistin in Bremen habe ich immer wieder mit ihr zu tun. Sandra Ahrens ist sehr darum bemüht, die Menschen für ihre Politik zu begeistern. Warum eigentlich nicht? Ende 2008 treffe ich eine Entscheidung: Ich will prüfen, ob Politik vielleicht etwas für mich sein könnte. Wie schnell kommt man rein, wenn man nur die Fühler ein wenig ausstreckt? Ein Rechercheprojekt am eigenen Leib.

Mit 28 eigentlich zu alt

Ich schreibe der Unionspolitikerin eine Email - und erzähle, dass ich mit dem Gedanken spiele, in die CDU einzutreten. Sandra Ahrens antwortet nur wenig später und schlägt mir sofort ein Treffen vor. "Wir sind gerade dabei, ein Nachwuchsförderprogramm aufzulegen. Ich werde Dich morgen anrufen, und dann machen wir gleich Nägel mit Köpfen." Tatsächlich meldet sich die Politikerin am nächsten Tag und bietet mir an, ihre Mentee zu werden. Von der Vermittlung von Praktika im Bundestag oder in Brüssel ist die Rede. Engagierte Leute könne die Partei sehr gut gebrauchen. Wir vereinbaren ein Treffen, zu dem sie mir alle nötigen Informationsmaterialien mitbringen will.

Standesgemäß treffen wir uns wenige Tage später in einer angesagten Innenstadt-Bar. Die Politikerin begrüßt mich herzlich mit einer Umarmung, sie trägt konservativ geschnittene Kleidung. Die halblangen, braunen Haare fallen in natürlichen Wellen vom Mittelscheitel. Sie freut sich, auf jemanden zu treffen, der sich ebenfalls für Politik interessiert. Dabei habe ich noch nicht einmal klar gesagt, dass ich mich engagieren möchte.

Kaum sitzen wir, ruft der CDU-Fraktionschef an, es geht um Termine. Sandra möchte mit dem Fraktionschef auch gleich über mich sprechen. Vielleicht könnte ich eine Ausnahmeregelung für das Nachwuchsprogramm bekommen. Es richtet sich an junge Erwachsene bis 25 Jahre; ich bin mit meinen 28 eigentlich zu alt.

Lust auf ruhmlose Arbeit

Weitere Ausführungen müssen aber warten, denn vor uns stehen zwei hochrangige CDU-Funktionsträger. Eine stellvertretende Vorsitzende eines Ortsvereins und ein Kreisvorsitzender, denen ich gleich vorgestellt werde. Während ich die Herren noch mühsam einordne, erklärt mir meine künftige Mentorin, wer die beiden sind und welche Funktion sie innehaben. Dann packt Sandra einen ganzen Stapel Papiere aus. Interne Papiere, Programm und Pressespiegel der Frauen Union. Und das Wichtigste: Eine Beitrittskarte. "Wenn du richtig Politik machen willst, solltest du gleich in die CDU eintreten", rät sie mir. Die Partei sei interessiert an mir. Hin und wieder brauche man beispielsweise für Podien Leute, die gut reden können. "So etwas könntest du zum Beispiel machen!"

Ich nicke etwas unentschlossen. Als offizielle Mentee könnte ich ihr Arbeit abnehmen. So warte die FU aktuell, die Zeitung für die Mitglieder der Bremer Frauen Union, darauf, gemacht zu werden. "Da stehst du dann als Redakteurin drin. Auf die Lorbeeren kommt es mir nicht an", versucht sie mir die eher ruhmlose Arbeit schmackhaft zu machen.

Sie habe schon sehr früh "richtig Politik" machen wollen - und somit bereits mit 27 den Landesvorsitz der Bremer Frauen Union angestrebt. Das Interesse für die Volkspartei hat ihr Ehemann bei ihr geweckt. Gemeinsam mit ihm besuchte sie Empfänge und Partei-Veranstaltungen. Das junge Paar sympathisierte mit der Partei, und trat schließlich gemeinsam ein. Der Mann ist stolz auf seine Frau, die Abgeordnete, die auch Bernd Otto Neumann von sich überzeugen konnte. Neumann ist seit 2005 Staatsminister für Kultur und Medien und war von 1979 bis 2008 Landesvorsitzender der Bremer CDU. An ihm kommt man hier nicht vorbei.

"Die Prioritäten sind klar"

Sandra erzählt mir von den Rivalitäten unter den Parteifrauen. Man müsse sein Standing gut einzuschätzen wissen, sich die Stimmen der Delegierten sichern. Ahrens hat ihr Amt mit Fleiß und Beharrlichkeit bekommen. "An den Frauenthemen kommst du als Frau nicht vorbei. Aber dann ist es wichtig, sich ein hartes Ressort dazu zu nehmen", empfiehlt sie mir. Wer etwas erreichen will, der muss durch Leistungen in einem harten Thema auffallen. Mit einem harten "Männerthema" wie Wirtschaft käme man als Frau prima durch - aber es gebe gewisse Geschlechterrollen. "Ich bin eine moderne Frau - aber die Prioritäten sind klar." Wichtig sei ein fester Partner. Und Kinder. In der Bremer Frauen Union hätten ihre Gegnerinnen sie mit dem Argument zu verhindern versucht, dass sie noch keine Kinder hätte. Jetzt ist sie schwanger.

Am Abend sehe ich mir zu Hause das interne Papier zum Nachwuchsförderprogramm im CDU-Landesverband Bremen genauer an. Die Partei möchte die Jungen auf die politische und parlamentarische Arbeit im Land vorbereiten. Das Nachwuchsprogramm soll Teil einer nachhaltigen Personalentwicklung sein. Ziel sei es, "junge Talente in den eigenen Reihen zu entdecken, sie stärker zu beteiligen, zu fördern und somit die Partei zukunftsfähig zu machen". Das Angebot richtet sich an die 18- bis 25-Jährigen aus der Metropolregion Bremen-Oldenburg, die "hoch motiviert und bereit sind, sich auf politischer Ebene einen Namen zu machen, die Politik der CDU voranzubringen, mitzugestalten, zu repräsentieren und zum nachhaltigen Erfolg der Partei beizutragen".

Lesen Sie auf Seite zwei: Die JU, Idealismus und Ideologie

Das Programm ruht auf drei Säulen: Bildungsveranstaltungen, Unterstützung durch erfahrene Mentoren aus Politik und Wirtschaft sowie Projektgruppenarbeit. Weiter sieht es vor: "Die Teilnehmer durchlaufen ein 18-monatiges Schulungsprogramm, das unter anderem die Bereiche Rhetorik, Pressearbeit, Landes-, Bundes- und Europapolitik, soziale Marktwirtschaft sowie die christlich-demokratischen Grundwerte der CDU beinhaltet." Die Ideologie ist also quasi nachschulbar! "Dabei geht es auch um die Entwicklung von Kampagnen, um politische Grundlagen, Herausforderungen durch Veränderungen im Wahlverhalten, Strategien und das Führen von Verhandlungsgesprächen sowie um politische Kommunikation."

Männer mit Idealen? Malte Engelmann, Vorsitzender der Jungen Union Bremen unterhält sich mit seinem besten Freund Jens Crueger, einem ehemaligen Grünen Bürgeschaftsabgeordneten. (Foto: Foto: CDU Bremen)

Maximal 20 junge Talente können in dem Programm mitmachen. Mindestvoraussetzung: Mitgliedschaft in der CDU oder einer ihrer Vereinigungen. Die Vergabe der Plätze erfolgt durch ein Bewerbungsverfahren unter Leitung des Landesvorsitzenden und seiner Stellvertreter. Am Ende der Schulung werden die erworbenen Qualifikationen mit einem Zertifikat beurkundet, heißt es. Die Kosten für das Programm trägt die Partei. Jetzt bin ich doch gespannt - und unterschreibe den Aufnahme-Antrag in der CDU. Sechs Euro kostet mich die Parteimitgliedschaft im Monat. Die Mitgliedschaft in einem Sportstudio ist teurer. Nach einer Woche erhalte eine positive Rückmeldung. Die CDU hat mich aufgenommen.

Gegen Widerstände profilieren

Werden die Bremer Jungpolitiker so sein wie der Vorsitzende der Jungen Union und Mitglied im CDU-Bundesvorstand, Philipp Mißfelder, den ich in Berlin treffe? Mißfelder, groß und breit gebaut, wirkt in seinem schwarzen Sakko und dem blaugestreiften Hemd sehr reif, erwachsen und viel älter, als er eigentlich ist. Mißfelder weiß genau, wie man von sich Reden macht - offenbar nimmt sich der junge Konservative ein Beispiel an Roland Koch. Das jedenfalls deutet er an. Er sagt, dass man die Erfolge von Koch honorieren müsse.

Sich thematisch profilieren, auch mal Widerstände erzeugen wie Roland Koch, das hat auch Mißfelder bereits getan - und er wird es wieder tun. Immerhin ist er kürzlich in den Bundesvorstand der CDU aufgerückt und muss sein Profil schärfen. 2003 hatte er Empörung ausgelöst, weil er sich gegen künstliche Hüftgelenke für 85-Jährige "auf Kosten der Solidargemeinschaft" aussprach. Eine Äußerung, die ihm nicht so sehr schadete, wie man vermuten könnte. Heute findet er große Unterstützung bei der Senioren Union. Anfang Februar wird er wieder unangenehm auffallen und bei einer Parteiveranstaltung mit Blick auf die Erhöhung des Hartz-IV-Kinderregelsatzes sagen, dass "die Erhöhung von Hartz IV ein Anschub für die Tabak- und Spirituosen-Industrie" war.

"Natürlich bin ich auch Idealist"

Ganz so professionell wie Mißfelder scheint der Vorsitzende der Jungen Union Bremen, Denis Ugurcu, nicht zu sein. Er meldet sich nicht. Die Emailadresse scheint auch nicht zu funktionieren. Der Bremerhavener, der als Rechtskonservativer gilt, hat vor einiger Zeit in der Presse Aufsehen erregt. Da forderte er, den Ex-Guantanamo-Häftling und Bremer Murat Kurnaz abzuschieben. Er würde ihn höchstpersönlich zum Flughafen bringen, so Ugurcu laut Medienberichten.

Ich probiere es noch einmal über die allgemeine Vorstands-Mailadresse. Nach einer halben Stunde blinkt eine Email im Postfach. Malte Engelmann, der stellvertretende Vorsitzende und Geschäftsführer der Jungen Union Bremen, hat geantwortet. Wir vereinbaren ein Treffen.

Die Junge Union in Bremen hat 500 Mitglieder, von denen etwa 70 aktiv sind. Das erzählt mir Malte Engelmann während unseres Gesprächs. Er wirkt mit seinen 29 Jahren sehr erwachsen. Er trägt Anzug und einen eleganten dunkelgrauen Mantel. Malte hat Politikmanagement studiert und ist jetzt im Masterprogramm. Er hat die Ausstrahlung von einem, der etwas erreichen will. Für den Politik durchaus Beruf ist.

Angst im Nacken

Den Idealismus möchte er sich aber nicht von mir absprechen lassen. "Natürlich bin ich auch Idealist. Sonst würde ich mir einen anderen Job suchen, in dem Zeitaufwand und Einkommen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen." Mit 17 ging er zur Jungen Union, wurde Landesvorsitzender der Schüler Union, mit 19 kam er in den Stadtteilbeirat. Heute ist er Deputierter in der Bürgerschaft.

Er möchte schon gerne ein Abgeordnetenmandat bekommen, gibt er zu. Aber es klingt nicht gut, das so offen zu kommunizieren. "Weil dann der Eindruck entsteht: Der kann ja nichts anderes! Das würden meine Kritiker ausschlachten." Eine Angst, die den jungen Politikern offenbar häufig im Nacken sitzt.

Ich bekomme den Eindruck, dass er genau der Typ Nachwuchspolitiker ist, der derzeit in den Parteien Karriere macht. Einer, der der Politik als Business begreift. Heute wählt er, der Politikmanager, selbst Kandidaten aus. Mentoring- und Nachwuchsförderprogramme findet er sinnvoll; darum mischt er sich auch bei der Planung des Bremer Programms ein. "Ich bin ein Freund von individueller Förderung. Das Risiko ist zu groß, dass vor allem Leute gefördert werden, die nur die Qualifikation haben wollen, aber gar nicht auf Dauer in der CDU bleiben möchten", fürchtet er.

Seilschaften und Netzwerke

Malte Engelmann hat Mentoren - und zwar mehrere aus der Parteispitze. Der eine bringt ihm inhaltlich vieles bei, der andere erklärt ihm die Parteiorganisation - oder wie man taktiert. Taktieren könne man nur ganz praktisch lernen. Darum hält der junge Konservative die Ochsentour für wichtig. "Es ist ein großer Fehler, zu glauben, dass man an der Basis vorbeikommt. Man muss sich die Neuen schnappen und mit denen Seminare machen." Auch ideologisch. Er habe selbst eine Fortbildung gemacht, in der es um das christliche Menschenbild ging. Malte hat zudem viele Schulungen bei der Konrad-Adenauer-Stiftung gemacht, das sei nun mal wichtig für eine politische Laufbahn. Und irgendwann wolle man etwas davon haben. "Es kommt einfach der Punkt, an dem man sich fragt: Warum tue ich das? Ich glaube, so viel Idealismus hat niemand, sich all das abzuverlangen und dann nicht mehr zu wollen."

Und welche Funktion hat nun die Junge Union, kommt aus ihr der Politnachwuchs? Malte grinst. Er ist ja selbst einer, der dort aufgebaut wurde. Ich rechne noch mal nach. Mit knapp 18 in die Partei, jetzt ist er 29 - mehr als elf Jahre Politausbildung liegen hinter ihm. Elf Jahre sind eine lange Zeit - und bis er auch als Abgeordneter in die Bremische Bürgerschaft einziehen kann, können noch ein paar mehr Jahre vergehen. "In der JU knüpft man seine Seilschaften und Netzwerke. Wenn sie gut sind, halten sie eine ganze Karriere lang." Dafür müsse man präsent sein. Die Liste werde von der Parteiführung am Ende klein gehalten. "Da geht es auch um Verbändeproporz", sagt er.

Lesen Sie auf Seite 3 von den Ängsten der Nachwuchspolitiker

Auch mal unangenehm aufzufallen, Widerstände zu erzeugen und sich darüber zu profilieren - davon hält Malte Engelmann nur wenig. "Es ist sicher schlau, sich zu profilieren und auch mal anzuecken, aber das sollte unbedingt massentauglich sein." Am Tag darauf erfahre ich, dass der junge Grüne und gute Freund von Malte Engelmann, Jens Crueger, Jahrgang 1984, von 2003 bis 2007 Bürgerschaftsabgeordneter und große Nachwuchshoffnung der Grünen in Bremen, von der Politik zurückgetreten ist. Hingeworfen hat er. Als Grund gibt er an, dass er gegen das bestehende Establishment nicht ankomme. Ich schreibe Malte Engelmann, um die genauen Gründe zu erfahren.

Panik - eine Idee ist da

Der junge Konservative stimmt sich mit seinem Freund ab und antwortet prompt per Email. "Jens hatte ja immer Ärger mit dem Establishment hier in Bremen. Die hatten ständig Panik, wenn er mal eine neue Idee hatte. Und wenn du in einer Tour Knüppel zwischen die Beine bekommst, hast du dann auch irgendwann keinen Nerv mehr." Jetzt möchte Crueger die Partei wechseln und sich der SPD in Hamburg anschließen. Da seien die Karrierechancen aussichtsreicher.

Am nächsten Tag hat Malte selbst große Neuigkeiten: Er soll zum Vorsitzenden der Jungen Union im Land Bremen gewählt werden. Damit gilt auch seine Kandidatur für die kommende Bürgerschaftswahl 2011 als sicher. Nach elf Jahren in der Politik endlich eine Aussicht, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Der noch amtierende Vorsitzende werde sich ins Berufsleben als Lehrer verabschieden. Nun möchte Malte seine Verbindung zur Bremer Presse intensivieren und so nehme ich nur wenige Tage später an meiner ersten Parteiveranstaltung teil.

Wir fahren gemeinsam mit Markus, einem Mitglied der Jungen Union in Bremerhaven, zum Kampagnenkongress der Bundes-CDU nach Hannover. Dort treffen sich mehrere hundert Parteifunktionäre und Amtsträger der CDU aus Bremen, Bremerhaven und Niedersachsen. Es sind viele Ältere aus der Generation 50 plus darunter. Die CDU hat für ihren ersten Kampagnenkongress im Messezentrum einen großen Saal gemietet, der bis auf die letzten Reihen gefüllt ist. Die Herren tragen Anzug, die Damen Kostüm. Es gibt Saft, Wasser und Pfefferminzdragees in CDU-Tütchen, die mit der Deutschlandfahne und dem Parteiemblem bedruckt sind.

Endlich Wahlkampf

Die Mitglieder der Jungen Union organisieren bei diesem Kongress die Unterstützeraktion und verteilen dafür unter den Jungen orangefarbene T-Shirts. Auch ich bekomme eines. Aber nicht alle Jüngeren machen mit. Einige in geschniegelten Anzügen sind nur daran interessiert, einen Smalltalk mit den Wichtigeren unter den Funktionären zu erhaschen, während Ronald Pofalla vorne auf der Bühne die Bundeswahlkampfstrategie der CDU erläutert. Ehe ich mich versehe, habe ich das CDU-Shirt an und teile Wahlkampfkarten, auf denen sich Parteimitglieder als Wahlkämpfer registrieren lassen können. Eine Funktionärin aus einer niedersächsischen Kleinstadt nimmt mir einen ganzen Stapel ab.

Nach dem Kongress stehen Malte und seine Freunde noch ein wenig unter Adrenalin. Endlich geht es wieder los mit dem Wahlkampf. "Ich freue mich schon darauf! Hoffentlich kriegen wir nicht wieder eins auf die Nase!", verkündet Malte, als wir die Veranstaltung verlassen. Auf die Nase kriegen? "Na ja, du klebst wochenlang Plakate, machst coole Aktionen, bringst deine Argumente vor - und dann verliert die CDU wichtige Prozentpunkte." Später an diesem Abend sitzen wir noch in einem Restaurant zusammen. "Warum machst du das eigentlich alles? Willst du nach Berlin?", möchte ich wissen. "Nicht unbedingt. Ich bin Bremer. Ich will hier vor Ort Politik machen." Er spricht von Verantwortung für die Gesellschaft und von eigenen Karriereplänen.

Kaum politische Inhalte

Ich weiß nach diesem Tag gar nicht mehr, wo es den jungen ambitionierten Politikern um echte Inhalte und wo es nur um das eigene Fortkommen in der Partei geht. Malte Engelmann ist mir sympathisch, weil er so viel Zeit und Engagement in die Politik investiert. Aber so viel Kraft und Energie möchte ich nicht in diese Partei investieren. Vor allem nicht dafür, sich Gedanken über Ämter und Posten, strategisches Planen und Handeln zu machen. Ich möchte auch keine Ideologieschulungen besuchen. Ich habe jetzt - drei Monate nach meinem ersten Liebäugeln mit der CDU - gesehen, dass man nur einmal die Fühler auszustrecken braucht, um sofort Anknüpfungspunkte zu bekommen. Wenn ich mich jetzt für die Partei entscheide, könnte vieles geschehen.

Vielleicht könnte ich wirklich eines Tages Staatssekretärin werden. Aber will ich das? Bisher ging es kaum um politische Inhalte. Stattdessen ging es um Machtkalkül. Zudem kam es mir vor, als seien die Themen nur Mittel der Inszenierung und der Profilierung. Total austauschbar. So wie ein Großteil des politischen Nachwuchses, der durch die Schulungsprogramme herangezogen wird. Durchgeschult und durchgeschliffen - das ist etwas, das ich für mich nicht möchte.

Am Tag darauf setze ich ein Kündigungsschreiben auf und trete aus der CDU aus. Nach knapp drei Monaten Flirt mit der CDU bleiben für mich einige Erkenntnisse: Junge Leute, die sich für Politik interessieren, finden in den Förderprogrammen Qualifikationen, die sicher sehr nützlich sind. Die Parteien stecken viel Kraft in die Rekrutierung des Nachwuchses. Am Ende kommt der Typus des jungen Karrieristen in die Top-Jobs, bei dem bezahlte Arbeit für die Partei und ehrenamtliches Engagement für die Partei in einem ausgeglichenen Verhältnis steht. Es ist ein Typus, der Politik als Business versteht. Für den geleisteten Input möchte man einen gewissen Output haben. Kommt dieser nicht rasch genug zustande, zieht man eben weiter.

Wer hängen bleibt, hat oftmals keine Alternative - oder ist Überzeugungstäter.

Eine Langversion des Textes ist im jetzt erschienenen Buch "Angepasst & Ausgebrannt: Parteien in der Nachwuchsfalle" von Thomas Leif im Verlag C. Betelsmann zu lesen.

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