Parlamentswahlen in Frankreich:Angst vor der blauen Flut

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Sarkozys Bulldozer von der UMP wildern ungeniert auf fremden Terrain. Auch Arno Klarsfeld, der Sohn von Beate Klarsfeld, kandidiert für die Bürgerlichen. Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl erwarten Frankreichs Sozialisten eine weitere herbe Wahlniederlage.

Gerd Kröncke, Paris

Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl erwartet die französische Linke eine weitere Niederlage: Gut einen Monat nach dem Sieg von Nicolas Sarkozy findet am Sonntag der erste Wahlgang zu den Parlamentswahlen statt. Es gilt als wahrscheinlich, dass der neue Präsident seine Macht konsolidieren kann. Die komfortable Mehrheit der Regierungspartei UMP in der Nationalversammlung könnte sogar noch deutlicher ausfallen als die derzeitige Sitzverteilung. In der zu Ende gehenden Wahlperiode verfügte die UMP über 359 von 577 Sitzen. Für die Sozialisten mit ihren jetzt 149 Mandaten wäre es schon ein unerwarteter Erfolg, wenn ihre Fraktion ähnlich stark aus den Wahlen hervorginge.

Beziers: Ministerpräsident Francois Villon wirbt für eine bürgerliche Mehrheit (Foto: Foto: AFP (Archiv))

Die unterlegene Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal hat auf eine Kandidatur für die Nationalversammlung verzichtet, reist jedoch durchs Land, um befreundete Kandidaten zu unterstützen. Schon während des Präsidentschaftswahlkampfs hatte sie sich gegen Ämterhäufung ausgesprochen. Sie will sich daher auf ihren Posten als Vorsitzende des Regionalrats von Poitou-Charantes beschränken. Allerdings hat sie auch Ambitionen auf den Parteivorsitz.

"Die Linke hat Angst vor einer blauen Flut", schreibt die linke Tageszeitung Libération und befürchtet einen "Tsunami": "Der Bulldozer UMP ist auf dem Vormarsch". Erinnerungen an 1993 werden geweckt, als sich die Sozialisten mit 53 Mandaten in der Nationalversammlung bescheiden mussten.

"Flut, welche Flut?"

Und doch rät Sarkozys Premierminister François Fillon zu Gelassenheit. "Flut, welche Flut? Es ist noch nichts gewonnen", sagte er im Pariser Stadtteil Bercy, wo er den Kandidaten Arno Klarsfeld unterstützt. Klarsfeld gilt als eines der neuen Talente der UMP. Der Sohn des berühmten jüdischen Anwalts ist von Sarkozy selbst angeworben worden. Mit jenen Neuzugängen versucht Sarkozy die Warnungen der Opposition zu entkräften, er werde sich zu einem Meinungsdiktator aufschwingen.

So hat auch die Ernennung des Menschenrechtlers Bernard Kouchner zum Außenminister und die Berufung des linken Präsidenten der Abbé-Pierre-Bewegung Emmaus, Martin Hirsch, zum Hochkommissar für Solidarität mit den Armen dazu beigetragen, die Wähler vom Wandel, wie ihn Sarkozy propagiert, zu überzeugen. Der Präsident hat bereits angekündigt, er werde nach der Parlamentswahl möglicherweise weitere Politiker außerhalb der UMP, bis hin zur politischen Mitte, in seine Regierung berufen.

Einzelne UMP-Parlamentarier sehen dies mit Unbehagen. Auf Skepsis stößt besonders, dass Sarkozy den Vorsitz des Finanzausschusses des Parlaments der Opposition übertragen will. Während der Chef der Sozialisten, François Hollande, von einem "Reförmchen" spricht, fürchtet der UMP-Abgeordnete Gillez Carrez, die Opposition könne den Posten nutzen, um systematisch die Entscheidungen der Regierung zu kritisieren. Solchen Einwänden begegnet der Präsident mit dem Hinweis, sein Engagement gelte der Republik und einer vorbildhaften Demokratie. "Meine Pflicht als Präsident ist es, eine Mehrheit zusammenzuführen", sagte Sarkozy, "die Pflicht der Mehrheit ist es, sich zu öffnen".

Neuer Machtkampf bei den Sozialisten

Während sich die Konservativen auf einen weiteren Sieg einstellen, hat bei den Sozialisten der Machtkampf erneut begonnen. Ségolène Royal hat inzwischen ihren Führungsanspruch innerhalb der Sozialistischen Partei (PS) bekräftigt.

Seit klar ist, dass Hollande, ihr Lebensgefährte, der die Partei seit gut zehn Jahren führt, nicht wieder für den Vorsitz kandidieren wird, wird sie von ihren Beratern gedrängt, sich als Parteiführerin zu profilieren. Während einer Wahlkampfreise sagte sie, dass die Parteimitglieder das Wort haben müssten, "nach zwei Wahlen erscheint mir das naheliegend".

Ségolène Royal muss daran gelegen sein, jene jungen Neumitglieder zu halten, die erst während ihrer Kampagne beigetreten sind. Offenbar strebt sie einen vorgezogenen Parteikongress an. Sie betont zwar, es sei nicht an ihr, "die Dinge voranzutreiben", andererseits "liegen sie ziemlich klar auf der Hand". Die Vertreter der verschiedenen Flügel sind sich zumindest darin einig, dass die Sozialisten sich nach den Wahlen neu formieren müssen. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten", sagt François Rebsamen, zweiter Mann der PS und Royal-Ratgeber, "Stillstand oder Wagemut. Das einzige Signal für eine Erneuerung wäre ein neuer Start mit Ségolène Royal".

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