Pariser Platz:Stille Trauer

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Vor der französischen Botschaft demonstrieren Berliner ihre Solidarität mit Frankreich.

Von Jens Schneider, Berlin

Es regnet unaufhörlich an diesem Sonntagvormittag über dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Rechts vor dem Tor verharren auch jetzt viele Menschen vor dem Absperrgitter und dem dichten Meer der Rosen und Kerzen vor der französischen Botschaft. Einige bleiben lange stehen, allein im Regen, oder Hand in Hand mit ihrem Partner, wortlos. Und es ist, als wäre nur der Regen zu hören.

Es sind TV-Teams da, die Stimmen einsammeln wollen. Aber die wenigsten machen den Eindruck, dass sie hier reden wollen. Ein Vater ist mit seiner kleinen Tochter gekommen, er wickelt zwei Rosen aus dem Papier, sie bücken sich, legen die Blumen zu den vielen anderen. Das Kind fragt leise, was denn auf den handgeschriebenen Zetteln steht, die als Zeichen der Anteilnahme hier hingelegt wurden, geschrieben mit Filzstift, langsam verwischt die Schrift im Regen. Er übersetzt: "Nous sommes unis", "Wir sind vereint", und "Vive la vie!", "Es lebe das Leben!", zwei von vielen Bekenntnissen der Verbundenheit. Hier liegen kurze und lange Liebeserklärungen an Paris, in denen Berliner aufgeschrieben haben, wie sie die Stadt bei Besuchen erlebten.

Seit dem frühen Samstagmorgen ist der Pariser Platz nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Ort der Trauer in der Hauptstadt. Niemand musste das organisieren, niemand dazu aufrufen, die Leute kommen einfach zur Botschaft. Die Polizei hat ein Absperrgitter errichtet. Ein Fußballfan knotete einen blauen Wollschal ums Gitter, der an Frankreichs Equipe erinnert.

Das Brandenburger Tor leuchtete am Abend und die Nacht durch in den französischen Nationalfarben. Hunderte stimmten die Marseillaise an, Frankreichs Nationalhymne. Der Platz war dicht gefüllt mit Trauernden, es waren mehr als tausend. Manche machen, als ob das dazu gehörte, Handyfotos von den vielen Blumen, Rosen zumeist, auch ein Olivenbaum ist darunter. Wenn, dann werden zumeist kurze Gespräche geführt, die das blanke Unverständnis ausdrücken, dass junge Menschen starben, "weil sie einfach nur Spaß haben wollten", wie eine junge Frau sagt.

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(Foto: dpa)

"Wir sind vereint": Zahlreiche Menschen treffen sich nach den Attentaten vor der französischen Botschaft in Berlin.

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(Foto: Douliery Olivier/ddp images)

Weltweite Solidarität mit Frankreich - nicht nur in Berlin: In Washington gedenken die Menschen am Lafayette Square der Opfer.

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(Foto: Suzanne Plunkett/Reuters)

In vielen Städten der Welt erstrahlen Wahrzeichen in den Farben der Trikolore: Hier das London Eye.

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(Foto: Daniel Munoz/Getty)

Das Opernhaus in Sydney.

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(Foto: imago)

Das Rathaus von San Francisco.

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(Foto: Johannes Eisele/AFP)

Der Fernsehturm in Shanghai.

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(Foto: Christine Olsson/dpa)

Ein Gebäude im Zentrum Belgrads.

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(Foto: Christophe Simon/AFP)

Die Christus-Statue in Rio de Janeiro.

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(Foto: Jan Holthe/dpa)

Die Kathedrale in Tromsø.

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(Foto: Daniel Ochoa de Olza/AP)

In Paris selbst besuchen am Sonntagabend Tausende den Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlags in der Kirche Nôtre-Dame.

Auch viele Muslime finden sich hier ein, um ihre Fassungslosigkeit zu bekunden. "Wir sind Muslime. Wir sind Menschen. Deshalb schämen wir uns für das, was Muslime getan haben", steht auf einem Bogen Papier. Auf einem anderen drücken syrische Flüchtlinge aus, dass die Mörder von Paris nichts mit ihnen gemein haben: "Not in our name - Muslim syrian refugees Berlin", heißt es da: nicht in unserem Namen!

Am Samstag trug sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kabinettsmitgliedern in das Kondolenzbuch der französischen Botschaft ein, später kam Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller mit Senatskollegen. Paris ist Partnerstadt von Berlin. Am Sonntagnachmittag sollen zwei Gedenkmärsche durch die Berliner Innenstadt führen.

Viele aber machen sich allein auf den Weg, mit Freunden, Partnern. Familien mit Kindern kommen. Sie bringen persönliche Zeichen mit. Von Kindern gemalte Bilder liegen im Regen zwischen den Blumen. Ein älteres Paar holt Teelichter in roten Gläsern hervor, sie brauchen einige Zeit, bis sie die Kerzen im Wind anzünden können. Sie stellen sie dazu, und bleiben minutenlang stehen, still.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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