Palästinenser:Neue Front

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Palästinensische Sicherheitskräfte in Nablus. (Foto: Jaafar Ashtiyeh/AFP)

Palästinensische Sicherheitskräfte gehen mit brutaler Gewalt gegen Banden vor.

Von Peter Münch, Jerusalem

Unruhen gehören zum Alltag in Nablus im Westjordanland, doch plötzlich verschieben sich die Fronten. In der jüngsten Runde der Gewalt stehen sich nicht mehr Israelis und Palästinenser gegenüber, sondern die palästinensische Polizei liefert sich heftige Kämpfe mit kriminellen palästinensischen Banden. Natürlich ist dabei immer auch die Politik im Spiel, und nachdem es in den vergangenen Tagen bereits mehrere Tote gegeben hat, lässt nun ein besonders brutaler Vorfall die Sorge vor einer weiteren Eskalation wachsen: Auf einer Polizeistation wurde ein kurz zuvor verhafteter Mann von Sicherheitskräften totgeprügelt.

Ahmed Halawi heißt das Opfer, und in Nablus ist er ein bekannter Mann. Der Polizei galt er als Drahtzieher jener kriminellen Umtriebe, gegen die in der Stadt seit längerem vorgegangen wird. Am vergangenen Donnerstag kulminierte das in einer Schießerei in der historischen Altstadt, zwei Polizisten kamen dabei ums Leben. Bei der Verfolgung wurden tags darauf zwei Männer aus dem mutmaßlichen Täterkreis erschossen. Zu Wochenbeginn gelang schließlich die Festnahme Halawis, der ein gewaltsames Nachspiel auf der Wache folgte. Der Gouverneur von Nablus, Akram Rjoub, versuchte sich noch in einer Art Ehrenrettung für die Beamten, die von dem Verhafteten wüst beschimpft und provoziert worden seien. Rechtfertigen konnte er damit jedoch auch nicht, dass Dutzende Polizisten Halawi umringt und auf ihn eingeschlagen haben sollen. Andere Sicherheitskräfte schossen Berichten zufolge noch in die Luft, um ihre Kollegen zur Besinnung zu bringen. Doch Halawi war nicht mehr zu retten.

Der Gouverneur nennt die brutale Aktion einen Einzelfall und verspricht schnelle Aufklärung

Dieser Vorfall droht nun einen Sturm auslösen. In den sozialen Netzwerken kursieren Fotos, die den grässlich zugerichteten Leichnam zeigen. Die Vereinten Nationen haben gegen die "außergerichtliche Tötung" protestiert. Genau diese Wortwahl verwenden die Palästinenser oft, wenn sie Israel wegen des Todes von Demonstranten oder mutmaßlichen Attentätern anklagen - nun richten sie sich gegen die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmud Abbas. Natürlich lässt sich die Hamas eine solche Gelegenheit nicht entgehen, die verfeindeten Brüder an den Pranger zu stellen. Diese "Exekution", so erklärte ein Hamas-Sprecher im Gazastreifen, zeige "die blutige Natur der Sicherheitskooperation zwischen der PA und den israelischen Besatzern".

Dabei war der getötete Ahmed Halawi kein Hamas-Mitglied, sondern gehörte pikanterweise zumindest früher zur Fatah von Präsident Abbas. Seine Familie nennt ihn einen "nationalen Führer", während der Zweiten Intifada in den Jahren 2000 bis 2005 soll er in Nablus die Al-Aksa-Brigaden, den bewaffneten Arm der Fatah, angeführt haben. Die Kämpfer sind seit Jahren nicht mehr aktiv, aber die Unzufriedenheit über den erfolglosen politischen Kurs von Präsident Abbas könnte allzu leicht wieder in einen neuen Anlauf zur Gewalt umschlagen.

Um die Flammen zu löschen, hat Premierminister Rami Hamdallah eine Sonderkommission eingesetzt, die den Tod von Halawi untersuchen soll. Hamdallah nennt das brutale Vorgehen seiner Polizisten einen "Einzelfall" und verspricht eine transparente Aufklärung. Glaubhaft erscheint das längst nicht allen in Nablus. Als sich ein Protestmarsch formierte, trieb die Polizei die Menschen mit Tränengas auseinander. Die Forderung der Demonstranten war dennoch nicht zu überhören. Sie riefen: "Weg mit Hamdallah".

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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