Pakistan:Kraftprobe zwischen Bhutto und Musharraf

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Die pakistanische Oppositionsführerin Bhutto will trotz des Verbotes durch die Militärmachthaber mit ihren Anhängern auf die Straße gehen. Sie sieht das Land auf dem Weg in die Katastrophe - und warnt davor, dass die Atombombe in die Hände von Islamisten gelangen könnte.

Trotz des Ausnahmezustands in Pakistan hat Oppositionsführerin Benazir Bhutto zu einer Kundgebung gegen die Regierung aufgerufen. Das von Staatschef Pervez Musharraf erklärte Versammlungsverbot werde nicht anerkannt, sagte Babar Awan aus dem Führungskreis von Bhuttos Pakistanischer Volkspartei (PPP). Es werde sichergestellt, dass alle Anhänger der PPP zur am Freitag geplanten Demonstration nach Rawalpindi kommen könnten.

Die Oppositionspolitiker Benazir Bhutto und Amin Fahim wollen sich dem verhängten Versammlungsverbot nicht beugen (Foto: Foto: Reuters)

Der Bürgermeister der südlich von Islamabad gelegenen Stadt, Javed Akhlas, kündigte jedoch an, die Polizei werde das Versammlungsverbot durchsetzen und die Kundgebung verhindern. Zugleich warnte er, dass es Hinweise auf Pläne für einen weiteren Selbstmordanschlag gegen Bhutto gebe. Die ehemalige Ministerpräsidentin entging am 18. Oktober bei ihrer Rückkehr aus dem Exil nur knapp einem schweren Bombenanschlag, bei dem mehr als 140 Menschen getötet wurden.

In einem Interview mit der Bild-Zeitung warnte Bhutto vor dem Einfluss extremistischer Kräfte auf Staat und Armee: "Pakistan nähert sich in großen Schritten einer gewaltigen Katastrophe", sagte sie. "Nur Gott weiß, was passieren würde, bekämen Extremisten volle Kontrolle über die Atommacht Pakistan."

"Pakistan auf dem Weg in die Anarchie"

Unter Pervez Musharrafs Führung habe die Armee längst die Kontrolle über zahlreiche Regionen verloren. Den Sicherheitskräften sei es bis heute nicht gelungen, "jene engen Netzwerke zu zerschlagen, die täglich Terror schüren, finanzieren und ausführen", sagte die ehemalige Ministerpräsidentin weiter. Pakistan sei "auf dem Weg in den Dschihad, die Anarchie".

Anders sieht die Lage in Pakistan nach den Worten eines hochrangigen Politikers aus. Nach Einschätzung des Präsidenten der regierenden Pakistanischen Muslim-Liga, Chaudhry Shujaat Hussain, dürfte der Ausnahmezustand in zwei bis drei Wochen wieder aufgehoben werden.

Er sei sich sicher, dass die Maßnahme dann beendet werde, sagte er der pakistanischen Zeitung Dawn. Zur Begründung führte er an, dass Präsident Musharraf die Folgen eines längeren Ausnahmezustands bewusst seien. Hussain, ein ehemaliger Ministerpräsident, soll einer der engsten Vertrauten von Musharraf sein.

Sicherheitskräfte waren am Dienstag wieder gewaltsam gegen Oppositionelle vorgegangen, die trotz des Versammlungsverbotes in mehreren Städten gegen den Ausnahmezustand protestiert hatten. Nach Augenzeugenberichten wurden erneut mindestens 100 Demonstranten festgenommen.

Entlassener Richter ruft zu Widerstand auf

Unterdessen floh der in Pakistan prominente Oppositionspolitiker Imran Khan nach Angaben seiner früheren Ehefrau aus dem Hausarrest in Lahore. Der Chef der "Bewegung für Gerechtigkeit" halte sich aus Angst vor Repressalien derzeit in einem Versteck auf, teilte seine Ex-Frau Jemima Khan in London mit.

"Sie wenden bloße Gewalt gegen Anwälte, Menschenrechtsorganisationen und politische Aktivisten an, und alle echten Oppositionsführer sind im Gefängnis", schrieb Imran Khan in einer E-Mail. Er verstecke sich derzeit zusammen mit dem Großteil seiner Partei und "mit Tausenden anderen". Seit Samstag haben die Sicherheitskräfte nach Schätzungen 3500 Menschen festgenommen.

Der von Militärmachthaber Musharraf entlassene Oberste Richter Iftikhar Chaudhry rief seine Landsleute zum Widerstand gegen die Militärmachthaber auf. In einer Telefonbotschaft an seine Landsleute sagte er, die Zeit sei gekommen, sich gegen die "Diktatur" zu erheben. Nach Verhängung des Ausnahmezustands waren der Musharraf-Kritiker und sieben weitere Verfassungsrichter ihrer Ämter enthoben und unter Hausarrest gestellt worden.

Ban zeigt sich besorgt

Pakistanische Regierungsvertreter stellten unterdessen in Aussicht, dass die anstehende Parlamentswahl wie ursprünglich geplant im Januar stattfinden solle. Musharraf hat jedoch bislang weder für den Urnengang noch für die Aufhebung des Ausnahmezustands einen Termin genannt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte am Dienstag seine Kritik an den Massenfestnahmen von Anwälten und Oppositionellen in Pakistan bekräftigt. Er habe seine "tiefe Besorgnis" und auch sein Bedauern mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in dem asiatischen Land zum Ausdruck gebracht, sagte Ban nach einem Treffen mit dem pakistanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, Munir Akram. Dieser wies die Kritik Bans als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück.

Die pakistanische Regierung zog unterdessen Zehntausende Soldaten von der Grenze zu Indien ab, um sie in anderen Landesteilen einzusetzen. Wie ein Vertreter des Verteidigungsministeriums in Neu Delhi sagte, war die pakistanische Truppenstärke an der Grenze noch nie so gering wie derzeit. Er berief sich auf Geheimdienstinformationen.

Pakistan benötige demnach etwa zwölf Brigaden, das sind etwa 28.000 Soldaten, um im Westen des Landes die Sicherheit aufrecht zu erhalten. Dort hätten islamistische Kämpfer mit Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida "eine neue Front" in den Stammesgebieten eröffnet.

Nach Angaben von Augenzeugen und Behördenvertreter ist ein Gebiet im Nordwesten Pakistans in der Hand von hundert Anhängern eines den Taliban nahestehenden Geistlichen. Die wichtigste Stadt in der Region, Mingora, stand nach Polizeiangaben aber noch unter der Kontrolle der Regierung.

© AFP/dpa/Reuters/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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