Ostdeutschland:"Stoiber ist nicht die CDU"

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Warum die umstrittenen Äußerungen des CSU-Chefs der Union doch nicht geschadet haben.

Jens Schneider

Wenn Michael Kretschmer in diesen Tagen bei sächsischen Unternehmern anruft, um Spenden für den Wahlkampf der CDU einzuwerben, wird er fast immer auf ein Thema angesprochen - die Äußerungen Edmund Stoibers. Zwar hören sich die Mittelständler geduldig an, wie der junge Generalsekretär der Sachsen-Union erklärt, dass ein Erfolg seiner Partei jetzt wichtig für die Wirtschaft sei. Doch dann kommen sie schnell auf die Ost-Schelte des CSU-Vorsitzenden zu sprechen und beklagen, diese sei gar nicht schön gewesen.

Was der Sachse dann erlebt, erklärt ein Phänomen, das in Berlin gerade für Verwunderung sorgt. Denn trotz allem zeigen sich viele seiner Gesprächsteilnehmer am Ende bereit, die CDU zu unterstützen. Sie stimmen dem Generalsekretär in der Beurteilung zu, dass doch nicht der bayerische Ministerpräsident, sondern Angela Merkel zur Wahl stehe. "Die Leute haben sich schon über Stoiber geärgert", sagt Kretschmer. "Doch am Ende sagen sie sich: Stoiber ist nicht die CDU, die Bayern ticken einfach anders."

In der Tat haben Stoibers Äußerungen über den Osten der CDU in den Umfragen nicht massiv geschadet. Zwar hat das Ansehen des bayerischen Ministerpräsidenten gelitten. "So einen Abbruch in einer Woche habe ich noch nicht erlebt", sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Aber für die Union habe der Streit über Stoiber bei den Wählern im Osten eine Art reinigende Wirkung. "Stoiber hat sich mit seinen Äußerungen für viele aus einem möglichen Kabinett Merkel rauskatapultiert. Die Union ist für viele damit quasi von einer Last befreit," meint Demoskop Jung.

Freilich gibt es noch eine andere Erklärung: Mit ihren Werten um die 30 Prozent im Osten befand sich die CDU - die immerhin in drei ostdeutschen Ländern den Ministerpräsidenten stellt - bereits am absoluten Tiefpunkt. Nun konnte man kaum damit rechnen, dass auch die überzeugten Stammwähler abspringen. Richtig erholt hat sie sich auch jetzt nicht. Noch immer könnte die Ostdeutsche Merkel mit dem Stimmen aus dem Osten allein nicht Kanzlerin werden.

Aus der Bundesperspektive wird zudem oft übersehen, dass der Osten sich aufgespalten hat. Der Süden mit Sachsen und Thüringen hat seinen wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern zuletzt noch ausgebaut.

Nun fällt auf, dass in Brandenburg einer dimap-Umfrage zufolge die CDU regelrecht eingebrochen ist, während sie sich in Sachsen stabilisiert. Hier liegen mit Dresden, Chemnitz und Leipzig oder Jena die Boom-Städte. Zwar ist auch im Süden die Links-Partei stark. Aber es dominiert der Stolz auf das Erreichte. Vor allem in den Großstädten ist eine bürgerliche Schicht gewachsen, die immer weniger in Ost-West-Kategorien denkt.

Merkel konnte den Unterschied diese Woche erleben. Im brandenburgischen Cottbus stieß sie auf eine mürrische, zuweilen feindselige Stimmung. Auch in Dresden war ihr Besuch gewiss kein Heimspiel. Aber die Kanzlerkandidatin traf auf aufmerksame Zuhörer, und am Ende übertönte der Beifall die Pfiffe.

© SZ vom 20.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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